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Der Rote Mond Von Kaikoura

Der Rote Mond Von Kaikoura

Titel: Der Rote Mond Von Kaikoura Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
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sie, nun schon wieder deutlich freundlicher. Etwas an Henare machte es ihr unmöglich, ihm lange böse zu sein. »Wir werden eines der neuen Teleskope nehmen, ein kleines, das sich leicht aufstellen lässt.«
    »Warum denn kein größeres? Wenn ich Sie schon begleite, kann ich auch das schwerere Teleskop tragen.«
    Jetzt musste Lillian breit lächeln. Hätte ich das Teleskop tatsächlich allein geschleppt?, fragte sie sich, und die Antwort war klar: Ja, natürlich! Schon allein aus Trotz! Vielleicht wäre ich sogar an Henares Zelt vorbeigelaufen, nur damit er sieht, dass ich es auch allein schaffe.
    »Ein kleines Teleskop wird reichen«, entgegnete Lillian schließlich.
    »Aber durch das Teleskop hat man das Gefühl, direkt vor ihm zu stehen, nicht wahr?«, setzte er lächelnd hinzu.
    Lillian nickte ihm zu und stieg dann auf die kleine Stute. »Also dann, übermorgen, vier Uhr am Nachmittag? Immerhin haben wir bis zu dem heiligen Ort ein gutes Stück Weg vor uns, nicht wahr?«
    Henare nickte zustimmend. »Ich werde da sein – mit der Erlaubnis, den heiligen Ort zu betreten.«

24
    Am Tag der Mondfinsternis war Lillian das reinste Nervenbündel. Sie wusste selbst nicht, warum. Es war nicht das erste Mal, dass sie eine Finsternis beobachtete. Auch wenn ihr Großvater dabei gewesen war, hatte sie früher oftmals eigenständig Notizen über das Verhalten des Erdtrabanten gemacht. Doch nun kam sie sich vor, als wäre sie eine blutige Anfängerin. Immer wieder blätterte sie durch alte Aufzeichnungen, stand dann auf, marschierte durch ihr Zimmer und blieb schließlich vor dem Spiegel stehen, wo sie sich anschaute und zu sich selbst sprach.
    »Du wirst es schon hinbekommen. Immerhin hast du dir das doch immer gewünscht. Später wirst du auch allein arbeiten müssen, also sieh diese Finsternis als Fingerübung an.«
    Aber als sie kurz vor ihrem Aufbruch noch einmal vor dem Spiegel stand und dort ihr Reitkleid zurechtzupfte, wusste sie auf einmal, woher die Unruhe kam. Es war nicht die Furcht, bei den Beobachtungen und Aufzeichnungen zu versagen – der Gedanke, mit Henare allein auf dieser Lichtung zu sein, beunruhigte sie ein wenig.
    Er ist nicht wie Ravenfield, redete sie leise auf sich ein. Er wird ganz sicher nichts versuchen, wie der Schafbaron es getan hat. Aber ein wenig Unsicherheit blieb dennoch.
    »Lillian!«, riss der Ruf ihres Großvaters sie aus ihren Gedanken.
    »Ich komme, Großvater!«, entgegnete Lillian, und nach einem kurzen prüfenden Blick in den Spiegel verließ sie ihr Zimmer. Ihr Großvater hatte sich im Bett aufgesetzt und es irgendwie hinbekommen, sich ein Kissen in den Rücken zu schieben, sodass er besser aus dem Fenster schauen konnte.
    »Du hast dich ja richtig zurechtgemacht«, bemerkte er, als sein Blick auf sie fiel. »Dabei willst du doch nur den Mond anschauen.«
    »Aber ich werde durch die Stadt reiten müssen«, entgegnete Lillian. »Ich will nicht, dass die Leute mich für liederlich halten.«
    Da Georg sein Zimmer nicht verlassen konnte und in letzter Zeit auch keinen Besuch erhalten hatte, wusste er natürlich noch nichts von dem Gerede in der Stadt. Und Lillian hatte auch noch nicht den Mut gefunden, ihm davon zu erzählen. In seinem Zustand wollte sie ihn so wenig wie möglich aufregen – und so nahm sie sich vor, auch Henare zu bitten, ihrem Großvater gegenüber keine Bemerkung in dieser Richtung zu machen.
    »Die Person, die dich liederlich nennt, bring mir her, und ich ziehe ihr eins mit meinem Stock über!« Georg deutete auf den Wanderstock, den ihm Henare kurz nach dem Unfall gebracht hatte, in der Hoffnung, dass er schon bald wieder würde laufen können.
    »Das wirst du schön bleiben lassen«, entgegnete sie und zupfte an seinem Kissen herum, damit er ihr Gesicht nicht sah. »Der Arzt hat gesagt, dass du dich schonen sollst – besonders dann, wenn dein Knochen wieder frisch zusammengeheilt ist.«
    Ihr Großvater lächelte versonnen in sich hinein und schwieg eine Weile, bis Lillian sagte: »Mr Arana müsste so gegen vier Uhr hier ankommen, dann sind wir gegen Mitternacht beim Felsvorsprung.«
    »Der heilige Ort«, brummte Georg in sich hinein. »Und er will den tohunga wirklich bitten?«
    »Er hat es mir versprochen, und ich bin sicher, dass er es schafft.«
    Wieder schwieg ihr Großvater, diesmal drehte er sich aber zur Seite, damit er sie ansehen konnte. »Du errötest«, stellte er dann beinahe schadenfroh fest, als hätte er sie bei etwas Verbotenem erwischt. »Du

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