Der Rote Mond Von Kaikoura
scheinst Mr Arana zu mögen.«
»Ich …«
Georg griff nach ihrer Hand und legte sie sich an die stoppelige Wange. »Ich weiß, was mit dir los ist. Ich habe schon bei unserem Ritt zum marae gesehen, dass er dich mag. Dieses Gefühl scheinst du zu erwidern.«
Lillian brachte es nicht über sich, ihm die Hand zu entziehen, obwohl sie es gern getan hätte. »Natürlich mag ich ihn. Aber …«
»Du sollst wissen, dass ich jede deiner Entscheidungen so gutheiße, wie du sie triffst. Doch solltest du Ravenfield nicht mehr wollen, sag es ihm gleich. Er ist ein wichtiger Verbündeter in unserem Vorhaben, vergiss das nicht.«
Er ist ein Wüstling, dachte Lillian grimmig, doch sie nickte. »Ja, Großvater, ich denke daran. Aber bisher bin ich weder Ravenfields Braut noch mehr als eine normale Bekannte für Mr Arana. Du weißt, dass mir die Wissenschaft sehr wichtig ist.«
»Und wahrscheinlich wäre für dich am besten ein Mann, der deine Leidenschaft versteht und vielleicht auch teilt.«
Lillian wollte ihn schon dafür zurechtweisen, dass er ihr Henare regelrecht empfahl. Doch im richtigen Augenblick klopfte es an die Tür. Lillian blickte auf die kleine Uhr auf dem Sekretär ihres Großvaters. Viertel vor vier. Henare war entweder überpünktlich oder …
Der Gedanke, dass jemand anderes vor der Tür stehen könnte – Ravenfield –, jagte ihr einen eisigen Schauer über das Rückgrat. Würde er wirklich die Frechheit haben, hier aufzutauchen?
Als sie durch die Küche eilte und dabei einen Blick aus dem Fenster warf, stellte sie zu ihrer großen Erleichterung fest, dass es doch Henare war, der den Weg hinaufkam. Lillian versagte sich allerdings, die Tür aufzureißen, als hätte sie die ganze Zeit über sehnsüchtig auf ihn gewartet.
Noch einmal strich sie ihren Rock und ihre Jacke glatt und wartete, bis er klopfte. Dann ließ sie drei Atemzüge verstreichen und öffnete.
»Ah, Mr Arana, kommen Sie doch rein.«
Henare zog den Hut vom Kopf und lächelte sie an. »Ich bin ein bisschen früher gekommen, falls Sie Hilfe mit Ihrem Gepäck brauchen.«
Lillian reichte ihm die Hand und errötete ein wenig, als Henare sich vorbeugte und ihr einen Kuss auf den Handrücken hauchte.
Einen Moment lang sahen sie sich in die Augen, dann entgegnete Lillian. »Ich habe nicht viel mitzunehmen. Nur das Nötigste; die Ausrüstung ist schon schwer genug.«
»Haben Sie das Teleskop hier oder müssen wir es von der Baustelle holen?«
»Mein Großvater wird doch nicht seine wertvollen Instrumente auf der Baustelle deponieren!«, entgegnete Lillian in gespielter Entrüstung. »Ich habe das Teleskop schon in eine Kiste verpackt, außerdem alles, was wir für die Beobachtung brauchen.«
»Auch Proviant? Oder wollen Sie meinem Jagdglück vertrauen?«
Lillian setzte einen skeptischen Blick auf. »Ich glaube, wir sollten lieber etwas mitnehmen. Möglicherweise verstecken sich die Muttonbirds oder die anderen Vögel.«
Henare lachte auf. »In Ordnung, dann sorgen Sie für den Proviant und ich sorge für die Gerätschaften. Aber vorher würde ich gern Ihrem Großvater meine Aufwartung machen. Wenn er denn schon wach ist.«
»Sie glauben doch wohl nicht, dass er schläft, wenn seine Enkelin aufbricht, um eine Mondfinsternis zu erforschen!«
An der Tür von Georgs Schlafzimmer angekommen, machten sie halt, und Lillian klopfte.
»Kommt rein!«, rief er fröhlich.
»Ah, Henare, mein Junge!«, rief Georg, als der Maori eintrat. »Seien Sie gegrüßt! Ich freue mich sehr, dass Sie meine Enkelin bei ihrer wichtigen Aufgabe unterstützen.«
»Das tue ich sehr gern«, entgegnete er und warf Lillian einen kurzen Blick zu, als wollte er herausfinden, ob sie ihrem Großvater etwas von dem Streit erzählt hatte. »Und ich habe auch die Erlaubnis erhalten, den heiligen Ort zu betreten. Das Einzige, was sich der tohunga ausgebeten hatte, ist, dass er sich für ein paar Momente den Mond durch das Teleskop ansehen kann.«
»Das kann er gern tun«, entgegnete Lillian lächelnd. »Meinetwegen kann er sogar bleiben, bis die Finsternis vorüber ist.«
»Das wird er sicher nicht wollen«, entgegnete Henare schmunzelnd.«Er möchte nur wissen, wie die pakeha es anstellen, dass der Mond ihnen ihre Geheimnisse verrät.«
»Nun, genau genommen tut er das nicht wirklich«, entgegnete Georg, während er sich mit Lillians Hilfe im Bett zurechtsetzte. »Wir versuchen, ihm durch Beobachtung seine Geheimnisse zu entlocken . Aber wer weiß, vielleicht ist es
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