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Der Rote Mond Von Kaikoura

Der Rote Mond Von Kaikoura

Titel: Der Rote Mond Von Kaikoura Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
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Sie wirklich entlassen?«
    »Nein, aber er hat mir gesagt, dass meine Dienste auf der Baustelle nicht mehr gebraucht würden. Ich solle die nächste Zeit in seinem Labor arbeiten.«
    Lilly war erleichtert, dass sie ihn nicht ganz die Stelle gekostet hatte, doch diese Situation war ebenfalls alles andere als gut.
    »Immerhin sollte jetzt jedem, der auf den Gerüchten herumreitet, klar sein, dass Ravenfield wirklich nicht bekommen hat, was er wollte«, setzte er hinzu.
    »Das ist nur ein schwacher Trost«, entgegnete Lillian. »Mir wäre es lieber, die Gerüchte wären noch da und Sie auf der Baustelle.«
    »Ich werde Sie auch weiterhin unterstützen«, versprach Henare mit wehmütigem Blick. »Besonders jetzt, wo es Ihrem Großvater noch schlechter geht.«
    »Das ist sehr nett von Ihnen.« Lillian lächelte ihn an. »Wie wäre es, wenn Sie mir ein wenig Gesellschaft leisten? Der Arzt meinte, dass ich auf Großvater gut achtgeben soll, aber ich fürchte, dass mir die Augen zufallen werden, wenn ich allein bin.«
    Jetzt entspannten sich auch Henares Züge wieder ein wenig. »Das werde ich sehr gern tun. Kann ich Ihnen vorher vielleicht irgendwas holen?«
    »Nein, nicht nötig. Ich nehme an, die Krankenschwester, die Dr. Corben mir schicken wollte, wird gleich mit den Medikamenten eintreffen. Ihre Gegenwart genügt mir voll und ganz.«
    Damit bedeutete sie Henare, ihr ins Schlafzimmer des Großvaters zu folgen.
    Nachdem es Lillian gelungen war, Georg wenigstens einen Teil der Medikamente einzuflößen, die die Schwester gebracht hatte, wachten Henare und sie die ganze Nacht über an seinem Bett. Er kam hin und wieder zu sich und murmelte etwas Unverständliches, doch dass jemand bei ihm war, schien er nicht mitzubekommen.
    Immer wieder überkamen Lillian düstere Gedanken. Der Unfall ihres Großvaters hatte sie zwar auch schon entsetzt, doch als nur von einem Beinbruch die Rede gewesen war, hatte sie erleichtert aufgeatmet. Nun war es etwas anderes. An Schlaganfällen starben Menschen. Dass dergleichen ihrem Großvater widerfahren würde, hätte sie nie geglaubt.
    Hatte er sich über Caldwells Nachricht aufgeregt? Über die bösartigen Gerüchte? Oder doch darüber, dass sie einfach aus dem Haus gelaufen war? Obwohl niemand mit Gewissheit den Grund nennen konnte, wuchsen ihre Schuldgefühle mit jedem Kreis, den ihre Gedanken zogen.
    »Sie haben mir doch die kleine Flöte gezeigt, die Ihnen der Kutscher geschenkt hat«, durchbrach Henare ihr schweigendes Grübeln. »Haben Sie sie noch?«
    »Natürlich«, entgegnete Lillian ein wenig verwundert. »Wie kommen Sie jetzt darauf?«
    »Mir ist etwas eingefallen. Als ich noch ein Kind war, wurde ich von einem ziemlich heftigen Fieber überfallen. Mein Vater war in so großer Sorge, dass er den Schamanen des Dorfes rufen ließ. Ich habe Ihnen doch schon von den karakia , den Heilliedern unseres Volkes, erzählt.«
    Lillian nickte. »Ja, das haben Sie.«
    »Das Lied, das der Heiler spielte, als es mir so schlecht ging, werde ich wohl nie vergessen. Und ich würde mir sogar zutrauen, es zu spielen, wenn Sie es mir erlauben.«
    Lillian war skeptisch. Lieder mochten vielleicht Kinder beruhigen oder Gemüter aufhellen, aber heilen?
    Doch würde es denn schaden? Außerdem interessierte es sie sehr, wie sich diese Lieder anhörten.
    Nachdem sie noch einen Blick auf das Gesicht ihres Großvaters geworfen hatte, erhob sie sich und ging in ihr Zimmer. Dabei gewahrte sie im Vorbeigehen ihr Spiegelbild. Das Haar hing ihr wirr über die Schultern, ihre Wangen wirkten eingefallen, und erst jetzt fiel ihr auf, dass sie bis auf das Frühstück nichts gegessen hatte. Doch sie verspürte keinen Hunger.
    Sie nahm die Flöte an sich und kehrte damit zum Bett ihres Großvaters zurück.
    »Und Sie glauben, dass es helfen wird?«
    »Ich bin damals wieder gesund geworden, wie Sie sehen. Schaden wird es auf keinen Fall. Unsere Heiler führen Krankheiten auf die Einwirkung böser Geister zurück. Wenn es uns gelingt, sie zu vertreiben, wird es Ihrem Großvater vielleicht wieder besser gehen.«
    Lillian reichte ihm die Flöte. »Dann spielen Sie.«
    Etwas unsicher setzte Henare das Instrument an die Lippen. Lillian wappnete sich dagegen, einen furchtbaren Ton zu hören, doch der erste Klang war überraschend melodisch. Schnell fand sich Henare in das Spiel, und schließlich erklang eine Melodie, wie Lillian sie noch nie gehört hatte. Sie konnte gar nicht anders, als die Augen zu schließen. Rasch wich das

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