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Der Rote Mond Von Kaikoura

Der Rote Mond Von Kaikoura

Titel: Der Rote Mond Von Kaikoura Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
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Mensch nur so rachsüchtig sein!
    Obwohl sie noch immer wütend war, sagte sie sich allerdings, dass ihr Großvater sie brauchte.
    Als sie durch die Tür trat, hörte sie als Erstes lauten, rasselnden Atem.
    Lillian schrie auf, als sie ihren Großvater zusammengekrümmt neben dem Bett liegen sah. Offenbar hatte er versucht, aus dem Bett zu kommen, war mit den Krücken abgerutscht und gestürzt.
    Erschrocken eilte sie zu ihm.
    »Großvater«, rief sie ihn zitternd und strich über sein Haar. »Großvater, was ist passiert?«
    Als sie es schaffte, ihn ein wenig herumzudrehen, sah ihr Großvater sie verwirrt an. Seine Lippen formten ein Wort, doch verstehen konnte sie es nicht.
    Der Doktor!, schoss es ihr durch den Sinn. Sie musste den Arzt holen! Nur, wie sollte sie ihren Großvater wieder ins Bett bekommen?
    Da ihr Großvater noch immer nicht richtig zu sich kam, zog sie kurzerhand die Decke vom Bett und breitete sie vorsichtig über ihn.
    »Bleib ruhig, Großvater, ich bin gleich wieder bei dir.«
    Georg stöhnte leise, doch Lillian bezweifelte, dass er sie verstanden hatte.
    So schnell sie konnte, lief sie aus dem Haus. Sie hätte auch die kleine Stute nehmen können, doch das Satteln und Aufzäumen hätte wertvolle Minuten gekostet – Zeit, die sie nicht hatte.
    Als sie um die Ecke auf die Main Street bog, entging sie nur haarscharf dem Zusammenprall mit zwei Männern, die gerade die Straße überqueren wollten.
    »He, pass doch auf!«, tönte es wütend hinter ihr her, doch Lillian nahm die Worte kaum wahr. Hinter einem Pferdefuhrwerk, das recht rasch an den Häusern vorbeipreschte, stürmte sie über die Straße. Aus dem Augenwinkel heraus sah sie, wie einige Frauen die Köpfe zusammensteckten, doch das war Nebensache.
    Bei der Praxis von Dr. Corben angekommen, stürmte Lillian die Treppe hinauf, wich einer Frau aus, die das Haus gerade verließ, und stürmte dann ins Wartezimmer. Die vier Patienten, die dort auf den Stühlen saßen, sahen sie erstaunt an. Gewiss würden sie nicht begeistert sein, doch der Zustand ihres Großvaters beunruhigte sie so sehr, dass sie allen Anstand vergaß und schnurstracks zum Behandlungszimmer eilte.
    Der Arzt, der gerade dabei war, einem älteren Herrn die Brust abzuhorchen, blickte empört auf.
    »Dr. Corben, bitte entschuldigen Sie die Störung, aber meinem Großvater geht es nicht gut«, rief Lillian, während ihre Wangen zu glühen begannen. »Er ist aus dem Bett gefallen, und es geht ihm ziemlich schlecht.«
    Sogleich erhob sich der Arzt, wandte sich an seine Frau, die ihm in der Sprechstunde half, und gab ihr die Anweisung, die wartenden Patienten noch ein Weilchen zu vertrösten. Dann griff er nach seinem Arztkoffer und folgte Lillian nach draußen. Auf dem Weg zu ihrem Haus ließ er sich noch einmal kurz alle Symptome ihres Großvaters schildern. Besorgt bemerkte Lillian, dass sich seine Miene verfinsterte.
    »Was könnte das sein?«, fragte sie schließlich, als sie um die Ecke in ihre Straße einbogen.
    »Schwer zu sagen, solange ich den Patienten nicht direkt vor mir habe.«
    »Könnte es mit der Gehirnerschütterung zusammenhängen, die er beim Sturz erlitten hat?«
    »Möglicherweise. Aber wie gesagt, ich muss Ihren Großvater untersuchen.«
    Im Haus angekommen, eilte der Arzt sogleich in Georgs Zimmer, während Lillian in der Küche blieb und dort eine Schüssel mit Wasser füllte, damit sich der Arzt die Hände waschen konnte. Dabei bemerkte sie, dass ihre eigenen Hände wie die einer sehr alten Frau zitterten.
    Was soll ich tun, wenn er stirbt?, fragte sie sich, während sie ihr Gesicht in der Waschschüssel betrachtete. Ich habe doch nur ihn. Und was wird aus der Sternwarte? Ich kann sie doch unmöglich allein weiterbauen …
    Da der Arzt sie nicht darum gebeten hatte, dem Zimmer fernzubleiben, und weil er sicher Hilfe benötigte, um ihren Großvater wieder ins Bett zu hieven, trug Lillian die Schüssel ins Schlafzimmer und stellte sie auf der Kommode neben der Tür ab. Der Arzt beugte sich über seinen Patienten und zog ihm die Augenlider doch. Als er Lillian gewahrte, blickte er auf.
    »Würden Sie mir helfen, ihn wieder ins Bett zu legen?«
    Während der Arzt ihn unter den Armen packte, nahm Lillian die Füße. Nach einer Weile gelang es, ihn wieder auf die Matratze zu legen.
    Ihn so hilflos daliegen zu sehen, brach Lillian fast das Herz, und sie musste die Hand vor den Mund pressen, damit sie nicht in Tränen ausbrach.
    Der Arzt knöpfte nun Georgs Hemd auf

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