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Der Rote Mond Von Kaikoura

Der Rote Mond Von Kaikoura

Titel: Der Rote Mond Von Kaikoura Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
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mir gesagt, dass ich mich nicht auf der Baustelle blicken lassen soll, solange die Bauarbeiten nicht abgeschlossen sind. Mir den Umgang mit Ihnen zu verbieten, hat er nicht direkt gewagt, aber es schwang zwischen den Zeilen mit.«
    »Aber Sie hätten sich das doch nicht verbieten lassen, oder?«
    »Nein, ganz sicher nicht, denn ich finde, dass es auf der ganzen Welt keine zweite Frau wie Sie gibt.«
    Auf einmal waren sich ihre Gesichter ganz nahe. Henares eindringlicher Blick ließ Lillians Herz flattern. Sie wusste, dass er – ganz im Gegensatz zu Ravenfield – nichts tun würde, was sie nicht wollte. Doch jetzt wünschte sie sich, dass er sie an sich ziehen, sie festhalten und küssen würde. Eine ganze Weile sahen sie einander in die Augen, und irgendwie schien Henare ihren Gedanken gelesen zu haben, denn vorsichtig, fast schüchtern strichen seine Hände an ihren Armen hinauf. Lillian erschauderte wohlig und öffnete leicht die Lippen. Die Einladung verstehend, beugte sich Henare schließlich vor und küsste sie. Zunächst kurz und abwartend, doch als sie ihm entgegensank und seinen Kuss erwiderte, zog er sie fest an sich und drang mit seiner Zunge vorsichtig in ihren Mund ein.
    Wie lange der Kuss dauerte, konnte Lillian im Nachhinein nicht sagen, aber es waren die himmlischsten Momente ihres bisherigen Lebens. Ein Feuer erwachte in ihrer Brust und in ihrem Bauch, das sie noch mehr als diesen Kuss wünschen ließ.
    »Lillian«, rief es schwach aus dem Zimmer ihres Großvaters, und nun war sie Henare sogar dankbar für seine Vernunft.
    »Ich muss nach ihm sehen.«
    »Ich werde hier warten. Und wenn du möchtest, bleibe ich heute Nacht auch wieder hier. Vorausgesetzt, deine Nachbarin denkt nichts Böses.«
    »Bist du Mrs Peters etwa begegnet?«
    »Ja, als ich ankam, fegte sie ganz eifrig die Treppe. Gewiss war es noch nie so sauber dort drüben wie heute.«
    Lachend ging Lillian ans Krankenbett ihres Großvaters.

27
    Henare machte sein Versprechen wahr und blieb auch diesmal die ganze Nacht. Er spielte Georg das karakia vor, dann saßen sie lange Zeit schweigend neben dem Bett, ein jeder in seine Gedanken versunken.
    Immer wieder spielte Lillian innerlich den Moment durch, als Henare sie geküsst hatte. Dieser Kuss war ganz anders gewesen als jener, den Ravenfield ihr aufgezwungen hatte. Stundenlang hätte sie in Henares Armen liegen können, doch seitdem war er ihr nicht mehr nahe gekommen. Wahrscheinlich aus dem Grund, dass er sonst ebenfalls nicht von ihr hätte lassen können.
    Wieder versuchte er, sie zu Bett zu schicken, doch diesmal blieb Lillian neben dem Krankenbett sitzen. Die Anstrengung der vergangenen Tage forderte allerdings ihren Tribut, und so fielen ihr, ohne dass sie es merkte, die Augen zu.
    Am nächsten Morgen stellte Lillian zu ihrem großen Schrecken fest, dass die Stirn ihres Großvaters glühte. Mit einem erschrockenen Aufschrei wich sie vom Bett zurück.
    »Henare!«
    Der Maori schreckte von seinem Stuhl hoch. »Was ist passiert?«
    »Er hat Fieber, ziemlich hohes sogar!«
    »Ich werde den Arzt holen!«, bot sich Henare sogleich an und stürmte aus der Tür. Lillian stand einen Moment lang hilflos vor ihrem Großvater, dann fiel ihr wieder ein, was er immer getan hatte, wenn sie als Kind Fieber bekommen hatte. Rasch eilte sie in die Küche, holte eine Schüssel und rannte damit zum Brunnen.
    Der neue Tag zog gerade über Kaikoura herauf, doch Lillian hatte jetzt keinen Blick für die morgendliche Schönheit des Himmels. Rasch pumpte sie das Wasser in die Schüssel und kehrte damit ins Haus zurück.
    Da sie kein altes Laken fand, zerschnitt sie kurzerhand eines ihrer Tischtücher. Mit Lappen und Schüssel lief sie ins Schlafzimmer zurück.
    Georgs rasselndes Atmen beunruhigte sie so sehr, dass ihre Hände zitterten, als sie die Decke zurückschlug und ihm das feuchte Tuch um die unvergipste Wade schlang. »Bitte, verlass mich nicht«, wisperte Lillian leise. »Bitte, Großvater, du musst doch noch dein Versprechen halten und die Sternwarte bauen.«
    Georg rührte sich nicht. Das Fieber hatte ihn vollkommen im Griff. Wo war es so schnell hergekommen? Hatte der Arzt etwas übersehen?
    Als sie den Umschlag wechseln wollte, schlug Georg plötzlich die Augen auf. Ungewöhnlich klar sah er Lillian an und hob seine Hand.
    »Lillian?«
    »Ich bin da, Großvater«, entgegnete sie verwundert, denn auch seine Stimme klang ungewöhnlich klar, wenn auch ein wenig schwach.
    »Hör mir zu.« Georg

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