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Der Rote Mond Von Kaikoura

Der Rote Mond Von Kaikoura

Titel: Der Rote Mond Von Kaikoura Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
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Messerstich töten würde. Am liebsten hätte ich die Augen geschlossen, doch galt das nicht als feige? Mit Mühe hielt ich sie offen, und schließlich gelang es mir, an sie zu denken, die es wert war, dass ich diese Furcht aushielt. Ich stellte mir Ahani vor, wie sie zum ersten Mal vor mir gestanden hatte. Ich stellte mir ihr Lächeln vor und das Blitzen ihrer Zähne.
    Die bedrohlichen Krieger verschwanden dadurch nicht, doch mein Blick blieb starr wie eingefroren, sodass es durchaus mit Mut verwechselt werden konnte.
    Wie lange der haka ging, wusste ich nicht, doch es erschien mir endlos. Als sich die Krieger endlich zurückzogen und ich überrascht feststellte, dass ich keinen Dolch in den Rippen stecken hatte, hätte ich am liebsten erleichtert aufgeatmet. Doch auch das versagte ich mir. Musste der Mutige erleichtert sein?
    Als Aperahama zu mir trat und abschließend ein paar Formeln sprach, versuchte ich aus seinem Gesicht abzulesen, ob ich die Prüfung bestanden hatte. Wer hatte schon die Macht über alle Regungen seines Körpers? Doch der Heiler verzog keine Miene, auch nicht, als er sich zurückzog. Er bedeutete mir lediglich, mitzukommen, während die anderen Krieger ihrem Häuptling folgten.
    Erst als wir in seiner Hütte angekommen waren, wagte ich es, nachzufragen. »Was meinst du, war der Häuptling zufrieden?«
    »Wir werden sehen«, sagte er geheimnisvoll. »Du nicht zurückgewichen und auf deinem Gesicht keine Angst. Krieger werden nicht glauben, dass du feige bist.«
    Mir sank der Mut. »Aber der ariki glaubt auch nicht, dass ich für seine Tochter würdig bin.«
    Dazu sagte er nichts; offenbar gefiel es ihm, mich im Unklaren zu lassen.
    Am späten Abend saß ich wieder an dem heiligen Ort und Ahani war bei mir. Weich schmiegte sich ihr Körper an mich; der Duft ihres Haares, das sie mit Blüten geschmückt hatte, ließ mich das seltsame Ritual vergessen. War ich jetzt ihrer würdig? Sie schien der Meinung zu sein, denn an diesem Abend, unter den Augen ihrer Götter, küsste sie mich zum ersten Mal. Wenn ich sie vielleicht auch nicht zur Frau nehmen könnte: Dieser Moment würde bleiben.
    Was soll ich sagen, schließlich, und nicht zuletzt wegen des überstandenen haka und auf gutes Zureden des tohunga, gab der Häuptling nach und erlaubte ihr, mich zu heiraten. Mich, einen pakeha, der sich allerdings wacker gehalten hatte, als es um den Bau eines Hauses ging. Nun wollte ich erst recht nicht mehr nach Deutschland zurück, und der Tag, an dem ich Ahani das erste Mal als meine Frau in den Armen hielt, war der schönste meines Lebens. Wie es sich für frisch Vermählte gehörte, verließen wir nur selten die Hütte. Wenn ich es doch tat, sah ich mich anzüglich lächelnden Mienen gegenüber: Egal, ob Mann oder Frau, sie alle meinten zu wissen, was wir in unserer Zweisamkeit taten.
    Das Resultat dieser Tage erhielt ich ein paar Wochen später, als Ahani mich bei der Hand nahm und zu dem heiligen Ort führte. Dort angekommen, küsste sie mich, legte meine Hände auf ihren Bauch und flüsterte mir dann ihr Geheimnis zu. Sie war schwanger!
    Für einen Moment glaubte ich, dass ich so leicht wäre, dass jede Windbö mich in die Schlucht reißen würde. Ein Kind! Ich wurde Vater! Überglücklich zog ich meine Liebste in die Arme und war davon überzeugt, dass es nichts gab, was mein Leben jetzt zum Schlechten wenden könnte.
    In den folgenden Monaten konnte ich erleben, wie Ahanis Bauch wuchs – und ihr Appetit. Als das Kind die ersten Bewegungen machte, nahm sie immer wieder meine Hand und legte sie auf ihren Bauch, damit ich spüren konnte, wie es gegen ihre Bauchdecke trat.
    »Unser Sohn wird stark«, flüsterte sie mir zu.«Er wird ein großer Krieger!«
    »Woher weißt du, dass es ein Sohn wird?«, fragte ich verwundert, denn ich kannte keine Frau auf der Welt, die das Geschlecht des Kindes mit Gewissheit vorhersagen konnte.
    »Ich weiß es«, sagte sie lächelnd. »Außerdem hat der tohunga es gesagt.«
    Dass sie bei Aperahama gewesen war, hatte ich nicht gewusst. Doch wenn er es sagte, dann musste es wohl stimmen.
    Etwas mehr als neun Monate nach unserer Hochzeit begannen zur Mittagsstunde eines sonnigen Tages die Wehen, und schon als ich den besorgten Blick der Frauen sah, wusste ich, dass es eine schwere Geburt werden würde. Aperahama hatte einen kräftigen Sohn prophezeit, und nach dem Leibumfang zu urteilen, den Ahani zuletzt gehabt hatte, schien er recht zu behalten.
    Man schickte mich

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