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Der Rote Mond Von Kaikoura

Der Rote Mond Von Kaikoura

Titel: Der Rote Mond Von Kaikoura Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
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Gesicht dem meiner geliebten Ahani glich. Würden es die Götter als Einhaltung meines Versprechens ansehen, wenn ich sie eines Tages in die Heimat ihrer Großmutter bringen würde?

30
    Am nächsten Morgen erwachte Lillian vom morgendlichen Lärm der Baustelle. Männerstimmen hallten über ihr Zelt hinweg, doch niemand machte Anstalten, es zu betreten.
    Nachdem sie sich so gut wie möglich frisch gemacht hatte, trat sie nach draußen. Noch immer hallten die Worte ihres Großvaters in ihr wider. Sie würde eine Weile brauchen, bis sie alles, was sie gelesen hatte, verkraften konnte. Der Drang, zu ihm zu gehen und mit ihm zu reden, ihm zu sagen, dass es nicht nötig gewesen wäre, sein Wissen vor ihr zu verheimlichen, wurde zu einem schmerzhaften Ziehen in ihrer Brust; niemals würde sie ihm offenbaren können, was sie fühlte. Tränen stiegen ihr in die Augen, und für einen Moment gab sie sich erneut ihrer Trauer hin. Doch dann erwachte der Drang, sich nützlich zu machen. Auf der Baustelle musste es doch etwas geben, was sie tun konnte! Und wenn es das Wegräumen von Trümmern war.
    Wieder traf sie der erbarmungswürdige Anblick der Baustelle wie ein Stich, doch als sie dort angekommen war, fiel ihr etwas auf, was ihr vorher vor lauter Gram und Aufregung entgangen war: Das Fundament sah noch intakt aus.
    Mit pochendem Herzen lief sie zur Baustelle. Was, wenn der Traum ihres Großvaters doch noch zu realisieren war? Wenn es sie gar nicht so viel kosten würde, wie alle annahmen?
    Das Fundament und der untere Aufbau der Sternwarte standen tatsächlich noch immer und wirkten nicht im Geringsten beschädigt. Natürlich müsste der obere Teil rekonstruiert werden, doch das Material dazu war ja noch hier. Die meisten Steine waren intakt, und mit jenen, die es nicht mehr waren, konnte man die Nischen füllen.
    Plötzlich ertönte ein lautes Krachen. Instinktiv blickte Lillian nach oben und sah gerade noch das lange Brett, das zur Erde stürzte. Bevor sie zur Seite springen konnte, wurde sie gepackt und nach hinten gerissen. Dabei verlor sie den Halt unter den Füßen und schlug schließlich hart auf den Boden auf, ebenso wie das Brett, das nur wenige Zentimeter von ihrem Kopf entfernt aufprallte.
    »Du solltest auf deine Angestellten hören!«, sagte eine Stimme, die ihr sehr bekannt vorkam.
    »Henare …«, presste Lillian hervor, als sie sich aufrappelte, und vergessen war auf einmal, dass sie für einen Moment in Lebensgefahr geschwebt hatte. »Wo warst du die ganze Zeit?«
    »Zu Hause«, antwortete er. »Und wie es aussieht, bin ich gerade rechtzeitig gekommen. Eigentlich solltest du wissen, dass man sich einem umgestürzten Baugerüst nicht allzu sehr nähert.« Die Art, wie er sie bei diesen Worten anlächelte, wärmte ihr Herz.
    »Das weiß ich, aber ich habe festgestellt, dass der untere Teil des Turms gar nicht so schlecht aussieht.«
    »Dafür setzt man aber nicht sein Leben aufs Spiel«, gab er zurück und strich ihr liebevoll eine Strähne aus dem Gesicht. »Ich würde dich gern mitnehmen. Zu meinem Stamm.«
    Beinahe wäre es Lillian herausgerutscht, dass es auch ihr Stamm sei – durch ihren Vater. Aber das wollte sie ihm erst später anvertrauen.
    »Und warum willst du mich mitnehmen?«, fragte sie.
    »Weil ich dich meinem Vater vorstellen möchte. Ich habe mich mit ihm versöhnt und ihm auch von dir erzählt.«
    »Wie geht es ihm denn?«
    Henares Miene verfinsterte sich. »Sehr schlecht. Deshalb hat er darauf bestanden, dich kennenzulernen.« Lillian strich ihm liebevoll über die Wange und küsste ihn. »Dann sollten wir wohl keine Zeit verlieren, oder?«
    Nur wenige Stunden später lag die Baustelle weit hinter ihnen, und sie erreichten einen Ort, der Lillian bekannt vorkam. Richtig, das hier war der Lagerplatz, an dem sie auf dem ersten Ritt Rast gemacht hatten. Als sie kurz anhielten, um die Pferde zu tränken, sah Lillian den geeigneten Augenblick gekommen, um ihm ihre Entdeckung zu offenbaren.
    »Ich habe dir auch etwas Wichtiges zu sagen«, eröffnete sie ihm, während sie sich an seine Brust schmiegte.
    »Und was?«, fragte Henare, während er spielerisch durch ihr Haar fuhr.
    »Die Aufzeichnungen meines Großvaters …«, begann sie, während sie nach seiner Hand griff und sie festhielt.
    »Was ist damit?« Henare zog verwundert die Augenbrauen hoch.
    »Ich habe sie gelesen.«
    »Und was stand darin?«
    »So einiges. Die wohl wichtigste Nachricht für mich war allerdings, dass ich zu deinem Stamm

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