Der Rote Mond Von Kaikoura
reichte; dann entgegnete sie errötend: »Ich habe Mr Caldwell, dem Hausbesitzer, versprochen, ein wenig nach dem Rechten zu sehen. Leider hat er es versäumt, mich von Ihrem Einzug in Kenntnis zu setzen.«
Lillian fragte sich, ob das nur eine Ausrede war oder ob die Frau wirklich den Mut gehabt hätte, sich mit Leuten anzulegen, die sich widerrechtlich auf dem Grundstück aufhielten.
»Nun, das wird daran gelegen haben, dass er nicht genau wusste, wann wir ankommen würden. Aber es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mrs Peters, es ist gut, so aufmerksame Nachbarn zu haben.«
Obwohl in Georgs Worten keinerlei Spott mitgeschwungen war, senkte Mrs Peters ein wenig beschämt den Blick. »Bitte, glauben Sie nicht, dass ich nichts anderes zu tun habe, als aus dem Fenster zu schauen. Ich wollte nur nicht, dass sich hier Unbefugte an dem Haus zu schaffen machen. In den vergangenen Monaten haben es weiß Gott schon etliche versucht.«
»Darf ich fragen, wohin die Vormieter gezogen sind?«, fragte Lillian, um ihr einen Grund zu geben, ein wenig zu plaudern, und um die unangenehme Situation zu überspielen.
Anstatt zu antworten, sah Mrs Peters sie beinahe schon erschrocken an. »Das weiß ich nicht«, sagte sie dann rasch, strafte sich aber selbst Lügen, indem sie Lillians Blick auswich.
Lillian blickte zu ihrem Großvater, dem es egal zu sein schien, wer hier gelebt hatte. Einzig und allein das Dach über dem Kopf zählte.
»Nun, Mrs Peters, ich fürchte, dass ich mich verabschieden muss, aber vielleicht mögen Sie sich noch eine Weile mit meiner Enkelin unterhalten. Ihr wird es sicher gefallen, ein paar Geschichten aus der Stadt zu hören.«
Als er verschwörerisch zu ihr sah, nickte Lillian rasch. »Ja, das wäre sehr schön. Leider kann ich Ihnen noch nichts anbieten, wir hatten noch nicht Gelegenheit auszupacken.«
»Das ist schon in Ordnung«, gab Mrs Peters zurück. »Wie gesagt, ich wollte nur nach dem Rechten sehen. Ich … ich muss gleich wieder zurück, ich bin gerade beim Brotbacken.«
Auch das war wahrscheinlich nur eine Ausrede, denn auf ihrem Kleid fand sich kein einziges Mehlstäubchen. Selbst wenn man eine Schürze trug – das wusste Lillian nur allzu gut –, verteilte Mehl sich wie ein Schleier auf sämtliche ungeschützten Stellen des Rockes. Einer Frau, die gerade buk, sah man das auch an. Das Einzige, was man Mrs Peters ansah, war Neugierde und ein wenig Bedauern, dass sie nicht tatsächlich auf irgendwelche Eindringlinge gestoßen war.
»Kommen Sie doch am Wochenende zum Tee zu uns«, lud Lillian sie höflich ein, denn sie wusste, dass nichts einen Ort wohnlicher machte als Nachbarn, die den Neuankömmlingen gewogen waren. In Köln hatten sie sich mit den meisten Nachbarn gut verstanden, auch wenn einige von ihnen über Georgs Beruf nur den Kopf geschüttelt hatten.
»Danke, das ist sehr nett von Ihnen«, entgegnete Mrs Peters, als hätte sie diese Einladung erwartet.
»Würde es Ihnen diesen Sonntag zur Teezeit passen?«, setzte Lillian hinzu. »Vorausgesetzt, Sie haben noch nichts anderes vor …«
Mrs Peters lächelte. »Nein, nein, das passt mir gut. Nochmals vielen Dank.«
Mit einem Nicken verabschiedete sich Mrs Peters wieder und eilte dann zur Gartenpforte.
»Seltsame Person, findest du nicht?«, bemerkte Georg, als sie außer Hörweite war.
»Sie ist neugierig auf uns«, entgegnete Lillian breit lächelnd. »Und sollte sie doch ein paar seltsame Eigenschaften haben, so werden wir das am Sonntag herausfinden. Immerhin brauchen wir uns keine Sorgen um das Haus zu machen, wenn wir mal nicht da sind.«
»Nein, sie wird ganz sicher die Augen offen halten und jeden Einbrecher rechtzeitig verscheuchen. Aber vielleicht kann sie uns ein paar Dinge leihen. Und es schadet nicht, wenn wir jemanden in der Nachbarschaft haben, der den anderen Frauen mitteilt, dass wir hier sind. Vielleicht sollten wir unseren Einstand hier mit einem kleinen Gartenfest feiern, was meinst du?«
Lillian sah ihn zunächst überrascht an, dann runzelte sie skeptisch die Stirn. » Du erzählst mir was von einer Gartenfeier?« In Köln hatte er es zumeist vermieden, sich bei gesellschaftlichen Anlässen blicken zu lassen.
»Vergiss nicht, dass wir Unterstützung für unser Vorhaben benötigen«, erinnerte Georg seine Enkelin. »Diese Frauen hier haben Männer und Söhne, die vielleicht bereit sind, für uns zu arbeiten, oder zumindest jemanden kennen, der es tun würde, ohne uns zu übervorteilen. Je
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