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Der Rote Mond Von Kaikoura

Der Rote Mond Von Kaikoura

Titel: Der Rote Mond Von Kaikoura Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
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»Schreiben Sie auf, was ich durchgeben soll. Kostet zwei Pfund.«
    Georg ergriff den Bleistift und ertappte sich dabei, dass er die Nachricht auf Deutsch schreiben wollte. Rasch strich er den Anfang durch und verfasste dann die Botschaft auf Englisch, bevor er den Zettel wieder über den Tresen schob.
    Als der Telegrafenclerk die Nachricht betrachtete, hob er überrascht die Augenbrauen. Was hat er?, fragte sich Georg verwundert. Ich habe doch nur Mr Caldwell gegrüßt und ihm Bescheid gegeben.
    »Gibt es ein Problem?«, erkundigte er sich. Der Gedanke, dass Caldwell in der Zwischenzeit etwas zugestoßen sein könnte, ließ Georg einen eisigen Schauer über den Rücken laufen. Wie sollte er ohne ihn sein Vorhaben realisieren?
    »Nein, das nicht, aber es geht da ein Gerücht, dass Mr Caldwell zusammen mit einem Deutschen eine Sternwarte errichten will. In der Nähe der Stadt. Sind Sie zufällig …«
    Dass es sich bereits herumgesprochen hatte, hätte Georg nicht erwartet. »Ja, der bin ich.«
    Die Augen des Clerks weiteten sich. »Alle Wetter, dass ich mit Ihnen sprechen darf! Sie sind sehr mutig, aber Männer mit Ideen braucht dieses Land!«
    Georg war für einen Moment zu überrascht, um eine schlagfertige Antwort zu geben. Natürlich erwartete er nicht, dass die Leute verstanden, was ihn umtrieb. Dass der Mann ihm aber so viel Hochachtung entgegenbringen würde, hätte er nicht erwartet.
    »Sagen Sie, was kann man mit dieser Sternwarte eigentlich machen? Ist das so was wie ein Leuchtfeuer?«
    »Nein, ganz im Gegenteil«, antwortete Georg. »Man beobachtet die Sterne. Das ist nicht nur für die Seefahrt wichtig, ihre Erforschung kann den Menschen auf dem Festland ebenfalls von Nutzen sein. Wir haben vor, die Sternwarte allen Bewohnern der Gegend zugänglich zu machen, damit sie sich die Planeten und vielleicht auch den Mond von Nahem ansehen können.«
    »Na, da muss ich meiner Elsa Bescheid geben, die will am Wochenende immer irgendwas unternehmen, und so ein Besuch in der Sternwarte würde ja selbst mich interessieren!«
    Georgs Zustimmung wurde vom Bimmeln der Türglocke begleitet. Ein weiterer Kunde traf ein, worüber der Clerk beinahe ein wenig enttäuscht war. »Na, dann werd ich mich mal an die Arbeit machen«, sagte er und setzte sich dann an den Ticker.
    Während das rhythmische Klacken ertönte, war Georg sicher, dass die ganze Stadt innerhalb kürzester Zeit von diesem Gespräch erfahren würde. Aber wenn alle Bewohner Kaikouras so reagieren würden … Als der Ticker schließlich stillstand, kamen noch zwei weitere Männer herein.
    »Möchten Sie die Nachricht aufbewahren, Sir?«, fragte der Telegrafenclerk, während er Georg neugierig musterte. Ihm war anzusehen, dass er gern noch mehr erfahren hätte.
    »Ja, ich nehme sie mit«, entgegnete Georg freundlich, schob den Zettel in die Jackentasche und verabschiedete sich dann.
    Nachdem ihr Großvater den Gartenzaun hinter sich gelassen hatte, zog Lillian die Flöte aus ihrem Rockbund und trug sie zum Fenster, um sie genauer zu betrachten. Im Sonnenlicht erkannte sie, dass nicht nur Blätter und Ranken das Holz zierten. Stilisierte Beobachter blickten durch die Äste, große Augen, hier und da ein ganzes Gesicht.
    Tohunga, ging es ihr durch den Sinn. Was bedeutete das nur? Seltsamerweise kam ihr wieder der Traum von ihren Eltern in den Sinn, der Traum, der mit den Worten »Ka mate!« geendet hatte. Auch diese Wendung hatte sie nicht verstanden, doch sie hatte sich bedrohlich angehört, wohingegen der Kutscher das tohunga ganz sanft ausgesprochen hatte. Nein, das war auf keinen Fall etwas Böses. Nur, was bedeutete es?
    Da sie allein keine Antwort finden würde und ihr Großvater frühestens in einer Stunde zurückkehren würde, verstaute sie die Flöte in ihrer Tasche und betrat dann das Zimmer, das sie für sich ausgesucht hatte.
    Die Fenster hier hatten Aussicht auf freies Land, das von der grünen Bergkette gesäumt wurde, die sie schon auf dem Weg hierher bemerkt hatte.
    Berge waren normalerweise die Feinde der Astronomen, denn sie versteckten Sterne, denen es nicht vergönnt war, weit über den Horizont zu treten. Doch hier störten sie kaum den Ausblick auf den Himmel.
    Als ein Stück blauen Himmels zwischen den Wolken erschien, lächelte Lillian versonnen in sich hinein. Offenbar gab es heute doch noch Sternenwetter. Zu schade, dass die Teleskope noch nicht angekommen waren …
    Nachdem sie sich vom Anblick des Himmels losgerissen hatte, suchte sie

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