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Der Rote Mond Von Kaikoura

Der Rote Mond Von Kaikoura

Titel: Der Rote Mond Von Kaikoura Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
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besser wir mit den Nachbarn auskommen, desto größer sind unsere Aussichten auf Erfolg.«
    Das klang natürlich plausibel, aber nicht nach Georg Ehrenfels. Die Seereise musste ihn ziemlich verändert haben.
    »Was siehst du mich denn so erstaunt an?«, setzte er hinzu, als er ihren Blick bemerkte. »Habe ich denn nicht recht?«
    »Natürlich hast du recht, Großvater«, entgegnete Lillian, während sie versuchte, ihre Verwirrung beiseitezudrängen. »Ich werde mich mal ums Gepäck kümmern, geh du ruhig in die Stadt und grüße Mr Caldwell von mir.«
    »Das werde ich gern tun.« Georg nickte Lillian zu, dann trat er durch die Tür.

5
    Nachdem er die Gartenpforte hinter sich gelassen hatte, marschierte Georg gut gelaunt die Straße entlang. Besonders in den Nachbarhäusern meinte er die Blicke der Bewohner zu spüren. Wenn diese Mrs Peters schon mitbekommen hatte, dass sie hier eingezogen waren, war es den anderen Frauen sicher auch nicht entgangen. Wahrscheinlich treffen sie sich gleich heute Nachmittag zu einem Teekränzchen und reden über uns, dachte er. Was sie wohl davon halten werden, einen Sterngucker in der Nachbarschaft zu haben?
    Die Gartenparty, die er Lillian vorgeschlagen hatte, würde nicht allein dazu gedacht sein, Unterstützung für sein Vorhaben zu finden. Seine Enkelin sollte Freunde finden, Freunde, die für sie da sein würden, wenn er nicht mehr am Leben war. Er machte sich keine Illusionen: Die Sternwarte hier würde sein letztes Werk sein, bevor er vor den Schöpfer trat. Bereits jetzt fühlte er, wie die Kraft allmählich aus seinem zweiundsiebzig Jahre alten Körper wich. Wie viele Jahre ihm noch blieben, wusste er nicht, doch seine Lillian sollte dann nicht allein durch die Welt gehen müssen.
    Doch noch bin ich ja am Leben, sagte er sich und schob die Gedanken an das Kommende beiseite. Die Kinder des Himmels werden mich ohnehin nicht gehen lassen, bevor ich mein Versprechen erfüllt habe.
    An der Hauptstraße angekommen, blieb er ein Weilchen stehen. Kaikoura war ihm keineswegs unbekannt. Allerdings hatte sich in den vergangenen fünfzig Jahren viel geändert. Die provisorischen Holzhütten waren massiven Häusern gewichen. Die vom Schlamm aufgeweichten Wege waren trockengelegt und befestigt worden. Und es gab hölzerne Gehwege, die die Frauen davor bewahrten, sich ihre Rocksäume mit Straßenstaub zu beschmutzen.
    Georg wusste nicht, ob ihn die Fortschritte der Zivilisation erfreuen oder erschrecken sollten. Natürlich hatten sich die Lebensbedingungen seit seinem letzten Aufenthalt hier erheblich verbessert – doch nur für die Zugereisten. Was war mit den Maori, die es schätzten, in ihren Dörfern mitten im Wald zu leben? Gab es sie überhaupt noch – oder waren sie einfach in westliche Kleidung gesteckt worden?
    Sein Blick schweifte zu den Hügeln jenseits der Stadt. Sie waren einfach ideal für die Beobachtung der Sterne und des Mondes. Damals waren sie die Heimat der Menschen gewesen, denen das Land von Gott gegeben worden war. Er hatte nie die Ansicht der Engländer vertreten, dass die Einheimischen Heiden seien, die nur darauf gewartet hatten, von einem vermeintlich höher entwickelten Volk zivilisiert zu werden.
    Lange hatte seine Zeit bei den Maori nicht gedauert, doch das Wenige, das er hatte erfahren dürfen, hatte ausgereicht, um ihn zu überzeugen, dass diese Menschen die Errungenschaften der modernen Welt nicht brauchten.
    Und dennoch war er nun zurückgekehrt, um ihnen den Fortschritt zu bringen. Aber vor allem war er da, um ein Versprechen einzulösen.
    Es dauerte eine Weile, bis er das Telegrafenamt fand. Nach einigem Durchfragen gelangte er schließlich an den Stadtrand und war überrascht, dass das Gebäude noch recht neu wirkte. Zu seiner Zeit hatte natürlich noch niemand von der Telegrafie gesprochen, doch offenbar schien es die hiesige Station nicht länger als zwei oder drei, bestenfalls fünf Jahre zu geben. Wären wir früher hier angekommen, hätten wir unsere Nachrichten wahrscheinlich noch mit Briefen verschicken müssen, dachte er.
    Glücklicherweise hatten sich die Zeiten geändert; der Fortschritt hatte sich auch an diesem Ende der Welt durchgesetzt.
    Beim Betreten der Station hatte Georg Glück. Der einzige Kunde außer ihm bezahlte bereits und verabschiedete sich.
    Der Clerk begrüßte ihn daraufhin freundlich und fragte nach seinem Wunsch.
    »Ein Telegramm nach Blenheim.«
    Der Mann nickte, dann schob er Georg Papier und einen Bleistift zu.

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