Der rote Prophet
Und wenn es das tat, würde ein gewisser William Henry Harrison es darauf abgesehen haben, Gouverneur zu werden. Und Hooch hatte in Suskwahenny, Pennsylvania und Appalachee schon genügend Wahlen miterlebt, um zu wissen, daß man keine Stimmen bekam, wenn man nicht auch Silberdollar in Umlauf brachte. Hooch würde diese Silberdollar haben. Und wenn die Zeit gekommen war, mochte er diese Silberdollar vielleicht an Harrisons Wähler verteilen; vielleicht aber auch nicht. Vielleicht half er dann nämlich einem anderen Mann auf den Gouverneurssitz, eines Tages, wenn Carthage zu einer richtigen Stadt und Wobbish zu einem richtigen Staat geworden waren. Dann würde Harrison den Rest seines Lebens dort hocken bleiben und sich daran erinnern müssen, wie es gewesen war, als er noch Leute einsperren konnte, und er würde vor Wut mit den Zähnen knirschen, wenn er daran dachte, wie Männer wie Hooch ihm all dies weggenommen hatten.
So unterhielt Hooch sich, während er zwei lange Tage und Nächte in dem Lagerraum saß.
Dann holte man ihn heraus und führte ihn vor Gericht – unrasiert und schmutzig, mit wirrem Haar und völlig zerknitterter Kleidung. General Harrison war der Richter, sämtliche Geschworenen trugen Uniform, und der Verteidiger war – ausgerechnet Andrew Jackson! Offenbar hatte Gouverneur Bill vor, Hooch auf die Palme zu bringen, aber Hooch war auch nicht von gestern. Egal, was Harrison vorhaben mochte, soviel war klar, daß es Hooch nichts nützen würde, lauthals dagegen zu protestieren. Also war es besser, stillzusitzen und die Sache über sich ergehen zu lassen.
Es dauerte nur wenige Minuten.
Hooch hörte mit unbewegter Miene zu, wie ein junger Leutnant bezeugte, daß sein ganzer Whisky genau zum selben Preis an den Marketender verkauft worden war wie beim letzten Mal. Den amtlichen Unterlagen zufolge hatte Hooch also keinen einzigen Penny mehr daran verdient, daß er sie zwischen zwei Lieferungen vier Monate lang hatte warten lassen. Nun, dachte Hooch, das ist eigentlich in Ordnung, Harrison will mir damit mitteilen, wie die Sache seiner Meinung nach zu laufen hat. Also sagte er kein einziges Wort. Hinter seiner magistralen Feierlichkeit wirkte Harrison äußerst fröhlich. Vergnüg dich nur, dachte Hooch. Mich bringst du nicht zur Weißglut.
Aber er schaffte es schließlich doch. Von dem Betrag wurden 220 Dollar abgehalten und Andrew Jackson noch während der Verhandlung überreicht. Elf goldene Zwanzig-Dollar-Münzen. Es tat Hooch richtig körperlich weh, mitansehen zu müssen, wie das funkelnde Metall in Jacksons geöffnete Hände fiel. Nun konnte er nicht mehr schweigen. Immerhin gelang es ihm aber, leise zu sprechen und dabei milde zu klingen. »Das erscheint mir nicht sonderlich ordnungsgemäß«, sagte er, »daß ausgerechnet der Kläger auch den Verteidiger abgibt.«
»Oh, was die Schulden anbelangt, ist er ja gar nicht Euer Verteidiger«, sagte Seine Ehrwürden Richter Harrison.
»Euer Verteidiger ist er nur in Sachen Alkoholausschank.« Dann grinste Harrison und erklärte die Angelegenheit für entschieden.
Die Branntweinsache dauerte auch nicht viel länger. Sorgfältig präsentierte Jackson genau dieselben Lieferscheine und Quittungen, um zu beweisen, daß sämtliche Whiskyfässer an den Marketender des Forts von Carthage und kein einziger Tropfen an die Roten verkauft worden waren. »Allerdings will ich zugeben«, sagte Jackson, »daß mir die hier ausgewiesene Whiskymenge ausreichend erscheint, um eine zehnmal so große Armee wie diese hier drei Jahre lang zu versorgen.«
»Wir haben hier eben Soldaten, die starke Trinker sind«, meinte Richter Harrison. »Und ich schätze, daß dieser Branntwein keine sechs Monate reichen wird. Aber kein Tropfen an die Roten, Mr. Jackson, da könnt Ihr ganz sicher sein!«
Dann wies er sämtliche Vorwürfe gegen Hooch Palmer alias Ulysses Brock zurück. »Aber laßt Euch das eine Lektion sein, Mr. Palmer«, sagte Harrison mit seiner besten Richterstimme. »Die Justiz hier draußen handelt zügig und zuverlässig. Achtet darauf, daß Ihr stets Eure Schulden begleicht. Und laßt nicht einmal den Ruch des Bösen an Euch herankommen.«
»Natürlich«, erwiderte Hooch fröhlich. Harrison hatte ihm ordentlich zugesetzt, aber zum Schluß war alles doch noch sehr gut gelaufen. Gewiß, die 220 Dollar machten ihm zu schaffen, ebenso die beiden Tage im Gefängnis, doch Harrison hatte Hooch nicht allzusehr leiden lassen wollen. Denn was Jackson nicht wußte,
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