Der rote Prophet
gehorchten, wären sie glücklich und sicher, es würde Frieden herrschen, und zum erstenmal in der Geschichte wären alle frei.«
»Ja, sie wären in Sicherheit, es sei denn, sie stellten sich gegen Euch. Sie wären glücklich, es sei denn, sie haßten Euch. Sie wären frei, es sei denn, sie wollten etwas tun, das nicht Eurem Willen entspricht.«
»Man stelle sich das vor, ein roter Mann, der philosophiert! Wissen diese Bauernsiedler südlich von hier überhaupt, daß Ihr Newton gelesen habt, Voltaire, Rousseau und Adam Smith?«
»Ich glaube nicht, daß sie überhaupt wissen, daß ich ihre Sprachen lesen kann.«
Napoleon beugte sich über seinen Schreibtisch. »Wir werden sie vernichten, Ta-Kumsaw, Ihr und ich gemeinsam. Aber Ihr müßt mir eine Armee bringen.«
»Mein Bruder prophezeit, daß wir vor Jahresende eine Armee haben werden.«
»Eine Prophezeiung?«
»Alle seine Prophezeiungen werden wahr.«
»Sagt er auch, daß wir siegen werden?«
Ta-Kumsaw lachte auf. »Er sah, daß Ihr als der größte europäische General gelten werdet, der je gelebt hat. Und ich werde als der größte aller Roten geachtet werden.«
Napoleon fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und lächelte, jetzt wirkte er fast jungenhaft. »Mir scheint, daß der Frage damit ausgewichen wird. Auch tote Männer kann man groß nennen.«
»Aber Männer, die Schlachten verlieren, werden niemals groß genannt, nicht wahr? Edel vielleicht oder heldenhaft. Aber nicht groß.«
»Das ist wahr, Ta-Kumsaw. Aber Euer Bruder legt sich nicht fest. Er ist wie ein Orakel.«
»So etwas kenne ich nicht.«
»Natürlich kennt Ihr kein Orakel. Ihr seid ja auch nur ein Wilder.« Napoleon goß Wein ein. »Ich vergesse meine Manieren. Wein?«
Ta-Kumsaw schüttelte den Kopf.
»Für den Jungen wohl auch nicht, vermute ich?«
»Er ist erst zehn«, erwiderte Ta-Kumsaw.
»In Frankreich heißt das, daß wir das Wasser zur Hälfte mit Wein verdünnen. Was tut Ihr mit dem weißen Jungen, Ta-Kumsaw? Nehmt Ihr inzwischen schon Kinder gefangen?«
»Dieser Weiße Junge«, versetzte Ta-Kumsaw, »ist mehr, als es den Anschein hat.«
»In einem Lendenschurz sieht er nicht nach viel aus. Versteht er Französisch?«
»Kein Wort«, antwortete Ta-Kumsaw. »Ich bin gekommen, um Euch etwas zu fragen – könnt Ihr uns Gewehre geben?«
»Nein«, erwiderte Napoleon.
»Wir können nicht mit Pfeilen gegen Kugeln kämpfen«, meinte Ta-Kumsaw.
»La Fayette weigert sich, Euch Gewehre auszuhändigen. Paris ist seiner Meinung. Man traut Euch nicht. Man befürchtet, daß alle Gewehr, die man Euch aushändigt, eines Tages gegen uns gerichtet werden könnten.«
»Was nützt es mir dann, eine Armee auszuheben?«
Napoleon lächelte und nippte an seinem Wein. »Ich habe mich mit ein paar Händlern der Irrakwa unterhalten.«
»Die Irrakwa sind der Urin kranker Hunde«, erwiderte Ta-Kumsaw abfällig. »Bevor die Weißen kamen, waren sie grausame, heimtückische Tiere, und nun sind sie noch schlimmer geworden.«
»Seltsam. Die Engländer scheinen in ihnen verwandte Seelen zu sehen. Und La Fayette himmelt sie an. Aber das einzige, was jetzt zählt, ist folgendes: Sie stellen Gewehre her, in großer Anzahl und billig. Nicht unbedingt die zuverlässigsten Waffen, aber sie verwenden genau die gleiche Munition. Das bedeutet, daß sie Kugeln herstellen, die enger in den Lauf passen und die treffsicherer sind. Und doch verkaufen sie sie zu einem niedrigeren Preis.«
»Werdet Ihr sie für uns kaufen?«
»Nein. Ihr werdet sie kaufen.«
»Wir besitzen kein Geld.«
»Pelze«, erwiderte Napoleon. »Biberpelze. Nerze. Hirschhäute und Büffelleder.«
Ta-Kumsaw schüttelte den Kopf. »Wir können diese Tiere nicht darum bitten, für Gewehre zu sterben.«
»Schade«, meinte Napoleon. »Aber die Irrakwa wollen auch noch etwas anderes außer Pelze.«
»Wir besitzen nichts, was sie begehren könnten.«
»Eisen«, fuhr Napoleon fort.
»Wir besitzen kein Eisen.«
»Nein. Aber sie wissen, wo es ist. In den oberen Gebieten des Mizzipy und entlang des Mizota. In der Nähe des Westufers des High Water Lake. Alles, was sie wollen, ist Euer Versprechen, daß Ihr Ihren Boten nichts antun werdet, wenn sie das Eisenerz nach Irrakwa bringen, und ihren Bergarbeitern auch nicht, wenn sie es schürfen.«
»Friede in der Zukunft im Tausch gegen Gewehre heute?«
»Ja«, bestätigte Napoleon.
»Fürchten sie denn nicht, daß ich die Gewehre gegen sie richten könnte?«
»Sie wollen Euer Versprechen,
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