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Der Rote Sarg

Der Rote Sarg

Titel: Der Rote Sarg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Eastland
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Kälte nahm er seinen Laborkittel ab und breitete ihn über Nagorski.
    In diesem Augenblick bemerkte Pekkala am Rand des Erprobungsgeländes einen großen Mann. Zunächst glaubte er, es wäre Kirow, da er ihn durch die Regenschwaden nur vage erkennen konnte. Dann wurde ihm klar, dass der Mann vor ihm sehr viel größer sein musste als sein Assistent.
    »Das ist Maximow«, sagte Uschinskij. »Nagorskis Chauffeur und Leibwächter.«
    »Wir nennen ihn den T-33«, sagte Gorenko.
    »Warum?«, fragte Pekkala.
    »Wir sagen immer: Bevor Nagorski beschlossen hat, sich einen Panzer zu bauen«, erläuterte Uschinskij, »hat er sich einen Maximow gebaut.«
    In diesem Moment hörten sie aus einem der Gebäude einen Schrei.
    Im nächsten Moment kam Hauptmann Samarin an den Rand des Erprobungsgeländes gelaufen.
    Hinter ihm folgte Kirow. Er rief Pekkala etwas zu, aber seine Worte gingen im Regen unter.
    Und so plötzlich sie erschienen waren, so plötzlich verschwanden sie auch wieder, Maximow eingeschlossen.
    »Was ist da passiert?«, fragte Uschinskij.
    Pekkala antwortete nicht, sondern watete bereits durch den Schlamm, sank immer wieder knietief ein, verlor schließlich das Gleichgewicht und fiel mit ausgebreiteten Armen hin. Kurz glaubte er, er würde nicht mehr hochkommen, aber dann richtete er sich röchelnd auf, die Haare und das Gesicht waren voller Schlick, so dass er aussah wie ein soeben erschaffener Golem. Er kroch den Abhang hinauf, blieb oben schwer schnaufend stehen und blickte zurück zum Panzer und den beiden Wissenschaftlern, die immer noch neben Nagorskis Leichnam standen, als wüssten sie nicht, wo sie sonst hingehen sollten.
    Auf dem Weg zur Anlage schloss er schließlich zu Kirow und den anderen auf.
    »Ich habe jemanden gesehen«, erklärte Samarin. »Er hat sich in einem der Lagergebäude versteckt, wo die Ersatzteile aufbewahrt werden. Ich habe ihn auf die Straße gejagt, und dort ist er plötzlich verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt.«
    »Wo sind die anderen Wachposten?«, fragte Pekkala.
    »Einer ist am Tor. Sie sind ihm beim Reinfahren begegnet. Daneben haben wir nur noch vier andere zur Bewachung der Gebäude. So ist es von Oberst Nagorski angeordnet worden. Im Ernstfall werden alle Gebäude verriegelt und bewacht.«
    »Wenn das alles hier so wichtig ist, warum gibt es dann nur so wenige Wachen?«
    »Wir sind hier nicht in einem Juwelierladen, Inspektor«, erwiderte Samarin. »Was hier bewacht wird, ist so groß wie ein Haus und wiegt auch so viel. Das kann man sich nicht einfach in die Tasche schieben und damit abhauen. Oberst Nagorski hätte hundert Leute haben können, wenn er gewollt hätte. Aber er schien es nicht für nötig befunden zu haben. Was dem Oberst Sorgen bereitete, war, dass jemand die Konstruktionszeichnungen stiehlt. Je weniger sich deshalb hier herumtreiben, umso besser – so hat er es jedenfalls gesehen.«
    »Gut«, sagte Pekkala. »Die Gebäude sind verriegelt. Welche anderen Maßnahmen sind eingeleitet?«
    »Ich habe das NKWD-Hauptquartier in Moskau informiert und um Unterstützung gebeten. Sobald ich den Tod von Oberst Nagorski erwähnt habe, hat man mir zugesichert, einen Trupp Soldaten zu schicken. Nachdem Sie aufs Testgelände raus sind, kam ein Anruf. Die beiden Ärzte wurden abgefangen, es wurde ihnen befohlen, nach Moskau umzukehren. Die Soldaten sollten bald eintreffen, bis dahin sind nur wir hier. Deshalb habe ich die beiden hier requiriert.« Er deutete auf Kirow und Maximow. »Ich brauche alle, die ich bekommen kann.«
    Pekkala wandte sich an Maximow und wollte sich vorstellen. »Ich bin …«
    »Ich weiß, wer Sie sind«, unterbrach Maximow ihn. Er hatte eine tiefe, sonore Stimme, die klang, als würde sie nicht im Rachenraum, sondern durch Vibrationen in der Brust erzeugt. Er nahm seine Mütze ab, unter der ein kahlrasierter Schädel und eine breite Stirn zum Vorschein kamen, die so massiv aussah wie die Stahlplatten von Nagorskis Panzer.
    »Der Mann, den Sie gesehen haben«, begann Pekkala und wandte sich Samarin zu. »Warum haben Sie ihn nicht verfolgt?«
    »Er ist in den Wald geflüchtet«, antwortete Samarin. »Da wird er nicht weit kommen.«
    »Warum nicht?«, fragte Pekkala.
    »Fallen«, antwortete Samarin. »Als die Anlage errichtet wurde, verschwand Oberst Nagorski fast jeden Tag im Wald. Keiner durfte ihn begleiten. Er schleppte Bretter, Eisenrohre, Drahtrollen, Schaufeln und Kisten mit hinaus, allesamt zugenagelt, damit niemand sehen konnte, was drin

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