Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Rote Sarg

Der Rote Sarg

Titel: Der Rote Sarg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Eastland
Vom Netzwerk:
waren wie eh und je. Kropotkins Angebot war ehrlich gemeint; er versprach nichts, was er nicht halten konnte. Pekkala müsste dazu nur die entsprechenden Worte sagen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Kropotkin. »Ihre Hände zittern.«
    »Was soll ich im Ausland denn machen?«, fragte Pekkala mehr zu sich als zu Kropotkin. »Ich kann doch nicht wieder ganz von vorn anfangen.«
    Kropotkin lächelte. »Natürlich können Sie das. Die Menschen tun es ständig. Und was Sie machen sollen? Es gibt keine Polizei auf der Welt, die Ihre Dienste ablehnen würde. Wenn Sie mich fragen, Pekkala, die Leute, die über dieses Land herrschen, haben die Loyalität eines Mannes wie Sie nicht verdient.«
    »Die Leute, gegen die ich ermittle, sind Verbrecher und wären es auch, gleichgültig, wer über dieses Land herrscht.«
    Kropotkin blieb stehen, drehte sich Pekkala zu und musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen. »Aber was, wenn die Leute, die über dieses Land herrschen, die größten Verbrecher überhaupt sind?«
    Pekkala hörte den Zorn in Kropotkins Stimme. Bei allen anderen wäre er darüber überrascht gewesen. Aber Kropotkin hatte noch nie einen Hehl aus seiner Meinung gemacht und sich nie um die Konsequenzen geschert. Glücklicherweise war niemand in ihrer Nähe. An einem Ort wie diesem konnten einen solche Worte in ziemliche Schwierigkeiten bringen.
    »Fragen Sie sich doch selbst, Pekkala – wie kann man Gutes tun, wenn man von Leuten umringt ist, die es nicht tun.«
    »In diesem Fall«, erwiderte Pekkala, »sind gute Menschen am dringendsten erforderlich.«
    Kropotkin sah ihn nur mitleidig an. »Sie haben sich also entschieden?«
    »Ich danke Ihnen für das Angebot, Kropotkin, aber meine Antwort lautet nein.«
    »Wenn Sie es sich anders überlegen sollten«, sagte Kropotkin, »dann halten Sie nach mir im Café Tilsit Ausschau.«
    »Das werde ich tun«, sagte Pekkala. »Danke.«
    Kropotkin hakte den Daumen in der an einem Westenknopf befestigten Uhrenkette ein, holte die Uhr aus der Tasche und warf einen Blick darauf. »Zeit, um mich auf den Weg zu machen«, sagte er und ließ die Uhr wieder in die Tasche gleiten.
    »Hoffentlich sehen wir uns bald wieder.«
    »Das werden wir. Möge Gott uns beiden beistehen, Inspektor.«
    Bei diesen Worten taumelte Pekkala zurück in die Vergangenheit wie jemand, der von einem hohen Felsen fiel.

» M öge Gott uns beistehen!«, weinte die Zarin. »Möge Gott uns beistehen. Möge Gott uns beistehen.«
    An einem frühen Morgen im Januar 1917 wurde Rasputin in der Krypta der Fjodorow-Kapelle zur letzten Ruhe gebettet. Bei der Beerdigung waren nur der Zar, die Zarin, ihre Kinder, ein Priester und Pekkala anwesend, der bei dem geheimen Gottesdienst für die Sicherheit aller Beteiligten zuständig war.
    Nach der Bergung des Leichnams aus der Newa hatte die Zarin befohlen, Rasputin in seinem sibirischen Heimatdorf Pokrowskoje zu bestatten. Innenminister Alexander Protopopow konnte sie jedoch davon überzeugen, dass angesichts der Feindseligkeit, die die Öffentlichkeit Rasputin selbst nach seinem Tod entgegenbrachte, der Leichnam sein Ziel nie erreichen würde. Daher entschied sie, ihn in aller Stille auf dem Gelände von Zarskoje Selo zu beerdigen.
    Der Sarg war während der Zeremonie offen, Rasputins Gesicht war allerdings mit einem weißen Tuch bedeckt, um die Einschusswunde auf der Stirn, die alle Künste des Bestatters nicht zu kaschieren vermocht hatten, zu verbergen.
    Dieser Einschuss stammte von einer anderen Waffe als die drei weiteren Schusswunden, die der Leichnam aufwies. Oberinspektor Wassilijew hatte Pekkala darauf aufmerksam gemacht. »Wir haben ein großes Problem«, hatte er gesagt.
    »Dass mit mehr als einer Waffe auf Rasputin geschossen wurde?«, fragte Pekkala. Sie hatten zwei Männer in vorläufigem Gewahrsam. Fürst Felix Jussupow sowie der Sanitätsarzt Lasowert hatten das Verbrechen bereits gestanden. Daneben gab es andere Verdächtige, unter anderem den Großherzog Dimitri Pawlowitsch. Der Zar allerdings hatte den Ochrana-Ermittlern und Pekkala zu verstehen gegeben, dass keiner dieser Männer vor Gericht gestellt würde. Angesichts dieser Tatsache schien es kaum eine Rolle zu spielen, wie oft und mit wie vielen Waffen auf Rasputin gefeuert worden war.
    »Es geht nicht nur darum, dass zwei Waffen benutzt wurden«, erzählte Wassilijew Pekkala. »Es geht um den dabei eingesetzten Waffentyp.« Er drückte den Finger an die Stirn, wo das Geschoss in Rasputins Schädel

Weitere Kostenlose Bücher