Der rote Tod
dieser Party, und sie könnte davon erfahren, dass wir dort waren und uns amüsiert haben, statt uns zu beeilen, nach Hause zu kommen, damit sie dich kennen lernen kann. Alles muss so sein, wie sie es wünscht, oder das dicke Ende kommt irgendwann nach.«
Das klang unangenehm vertraut. Nun, selbst wenn seine Mutter und meine sich so ähnlich waren, würde ich sie nur für eine kurze Zeit ertragen müssen. Cambridge schien mir plötzlich reizvoll, und ich konnte es nicht erwarten, mich dorthin zu begeben und meine Studien aufzunehmen. Sie konnte kaum Einwände gegen eine solche Haltung erheben.
»Hat Warburton viel über Miss Jones gesprochen?«, fragte ich.
»Hm? Nein, ich glaube nicht. Er war letzte Nacht ein wenig betrunken, aber das ist alles, an das ich mich erinnere. Ich nehme an, sein Heiratsantrag wurde ausgeschlagen, aber wenn ein Mädchen ihm einen Korb gibt, schmollt er normalerweise eine Woche im Bett. Heute schien er guter Laune zu sein.«
»Warum denkst du, sein Antrag wurde ausgeschlagen?«
»Hätte er Erfolg gehabt, hätte er es uns erzählt.«
»Du scheinst da nicht sehr neugierig zu sein.«
»Das geht mich kaum etwas an.« Auf seinem Gesicht verwandelte sich Gleichgültigkeit in Interesse. »Oh -oh, denkst du etwa ...«
»Was?«
»Wenn die schöne Miss Jones Nein zu ihm gesagt hat, würde es den Weg für dich freimachen, oder nicht? Aber ich bin nicht sicher, was Tony dazu sagen würde. Er hat manchmal ein wahrhaft teuflisches Temperament.«
»Gehört zur eifersüchtigen Sorte, wie?«
Oliver zuckte die Achseln. Das könnte ein weiterer Grund dafür sein, dass Nora seinen Antrag abgewiesen hatte.
»Eifersüchtig oder nicht, die Dame sollte das letzte Wort bei der Entscheidung haben, mit wem sie ihre Zeit verbringen möchte.«
»Ja, das habe ich auch immer so gesehen. Umso besser, wenn sie sich entscheid et, sie mit dir zu verbringen.«
Für einige Augenblicke verlor ich meine Fähigkeit zu sprechen.
»Guck nicht so überrascht, ich habe dich gesehen, wie du der Tante des Mädchens in den Irrgarten gefolgt bist. Deinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen passierte das nicht, um mit ihr ein intimes Gespräch zu führen. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, ich bin niemand, der aus dem Nähkästchen plaudert. Ich war schon immer der Ansicht, dass es gesünder ist, wenn ich mich aus romantischen Verwicklungen heraushalte, die mich nicht direkt angehen. Alles, worum ich dich bitte, ist Folgendes: Wenn du eine Frage hast, dann heraus damit. Diese Herumwinderei, um etwas zu erfahren, ist schlecht für meine Leber.«
Nun. Der liebe Vetter Oliver war nicht so einfach gestrickt , wie er vorgab.
Vielleicht war es das Fonteyn-Blut. Ich lachte leise.
»In Ordnung. Du hast mein Wort darauf. Ich werde das Thema sogar ganz fallen lassen. Es gehört sich ohnehin nicht, über einen Mann zu sprechen, wenn er nicht dabei ist.«
»Himmel«, sagte er, indem er zu seiner normalen, sorglosen Art zurückkehrte.
»Worüber sollen wir dann sprechen?«
»Mir kommt gerade etwas in den Sinn. Warburton hat etwas zu mir gesagt, bevor wir abgereist sind.«
»Und was?«
»Er sagte, du könntest mir da weiterhelfen.«
»Wenn ich kann. Weiterhelfen – womit?«
»Ich bin nicht ganz, sicher. Könntest du mir bitte sagen ... was ist eine Aalhaut?«
KAPITEL
7
Mein erstes Zusammentreffen mit der Regierenden Großen Herrscherin der Familie, Elizabeth Therese Fonteyn Marling, hinterließ bei mir einen nachhaltigen Eindruck, der noch Monate danach einen Schauder zwischen meinen Schulterblättern hervorrufen konnte. Sie entpuppte sich als meinen schlimmsten Erwartungen entsprechend – mindestens. Sie und meine Mutter glichen sich auf unheimliche Weise, körperlich und mental, obwohl meine Tante eine gedankenvollere und kältere Art hatte, was, wenn man Mutter betrachtete, zu ihren Gunsten sprach. Insgesamt ist das alles, was ich überhaupt zu ihren Gunsten sagen kann.
Ihr Ehemann war Vorjahren gestorben – Oliver konnte sich nur sehr schwach an ihn erinnern – und seitdem war sie das unbestrittene Oberhaupt sowohl des Fonteyn- als auch des Marling-Clans. Ihren Rang über allen anderen, einschließlich der Männer, bestritt sie durch die Macht ihrer Persönlichkeit und den Reichtum, den sie von ihrem Vater geerbt hatte. Wie es mein Vater getan hatte, so hatte auch ihr Mann eine Übereinkunft unterzeichnet, in der er jedem Recht auf ihr Geld entsagte, bevor er die Erlaubnis erhalten hatte, sie zu heiraten. Ob die
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