Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der rote Tod

Der rote Tod

Titel: Der rote Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat N. Elrod
Vom Netzwerk:
Heirat auf Liebe oder Besitz basiert hatte, konnte ich niemals herausfinden.
    Als ich mit dem unheimlichen Gefühl, mein Zuhause überhaupt nicht verlassen zu haben, ihren Salon betrat, betrachtete sie mich mit ihren kleinen Augen von oben bis unten, wobei ihr dünner Mund noch dünner wurde, als sie ihn zu einem spöttischen Lächeln verzog. Die Falten auf ihrem dick bemalten Gesicht waren in vielen Jahren durch ständige Wiederholung dieser Bewegung eingegraben worden. Ich konnte von dieser Frau keine Gnade oder kein Verständnis erwarten oder auch nur den Anschein einer familiären Zuneigung.
    »Marie sagte, dass du ein Teufel seiest, und du siehst auch so aus. Junge – doch solltest du irgendwelche Teufeleien vorhaben, während du unter meiner Aufsicht stehst, kannst du sie dir in diesem Augenblick aus dem Kopf schlagen.« Das waren ihre ersten Worte an mich, die sie sprach, kaum dass ich meine Verbeugung vor ihr beendet hatte, während wir vorgestellt wurden. »Ja, Tante Therese«, murmelte ich schwach.
    »Du wirst mich als ›Tante Fonteyn‹ ansprechen«, fuhr sie mich an.
    »Ja, Tante Fonteyn«, antwortete ich sogleich.
    »Das ist ein guter Name und ein besserer, als du ihn verdienst. Hättest du nicht einen halben Anteil des Blutes meines Vaters, würde ich nicht meine Zeit mit dir vergeuden, aber ihm zuliebe und meiner lieben Marie zuliebe werde ich tun, was ich kann, um einen zivilisierten Menschen aus dir zu machen.«
    »Ja, Ma'am. Danke, Ma'am.« Was dachte sie, was ich tun würde, während des Essens mit dem Hilfsgeistlichen die Suppenterrine als Nachttopf verwenden? Ein verlockender Gedanke.
    »Amüsiert dich etwas, Jonathan Fonteyn?«
    »Nein, Ma'am.« Es gelang mir, das unvermeidliche Zusammenzucken zu verbergen, das der Gebrauch meines mittleren Namens in mir hervorrief.
    »Du, Junge«, sagte sie, indem sie Oliver ansprach, als sei er ein Diener der niedrigsten Stufe. Er schien ein unsichtbares Objekt direkt neben ihrem linken Ohr anzustarren. »Verschwinde von hier. Lass Meg den Tee bringen. Sie soll dafür sorgen, dass er diesmal heiß ist, wenn sie weiß, was gut für sie ist.«
    Er floh.
    Sie wandte ihren Blick mir zu, und ich bemühte mich, das zu finden, was auch immer Oliver gesehen haben mochte. Da gab es natürlich nichts, aber es war besser, als ihrem Basiliskenblick zu begegnen.
    »Gibt es nichts, was du zu sagen hast, Junge?«, fragte sie gebieterisch.
    »Ich hielt es für passender, auf Ihr Gutdünken zu warten, Tante Fonteyn.«
    »Ha! Du sprichst wie dein Vater, wie? Er konnte vor etwa zwanzig Jahren auch eine ziemlich hübsche Rede abliefern. Hat er immer noch diese schlaue und geölte Zunge?«
    »Er ist zu einer guten, intelligenten Konversation fähig, Ma'am«, antwortete ich, indem ich mich bemühte, neutral zu bleiben.
    Das ließ sie einen Augenblick lang innehalten. Vielleicht überlegte sie, ob ich mich über unsere Unterhaltung lustig machte oder nicht. Aber meine Stimme und mein Gesicht waren völlig unschuldig. Mutter wäre mit allen vieren darauf angesprungen, aber Tante Fonteyn ließ es durchgehen.
    »Was ist mit deiner Schwester? Wie geht es Elizabeth Antoinette?«
    Elizabeth, Gott schütze sie, hasste ihren mittleren Namen ebenso wie ich meinen. Ich war froh, dass sie nicht anwesend war, denn sie wäre vielleicht nicht in der Lage gewesen, ein höfliches Gesicht zu bewahren. »Es ging ihr gut, als ich sie zuletzt sah.«
    »Sie sieht sehr wie deine Mutter aus?«
    »Viele Leute haben schon Bemerkungen über ihre Ähnlichkeit gemacht, Ma'am, und gesagt, dass sie sich sehr gleichen.«
    »Nur, was das Aussehen betrifft, da bin ich mir sicher«, sagte sie naserümpfend, als wäre es ein Verbrechen und nicht vielmehr ein Segen, nicht diesen Charakter zu teilen.
    »Das Barrett-Blut, kein Zweifel. Gibt es schon jemanden, der sie heiraten will?«
    »Nein, Ma'am. Es gab zumindest niemanden, als ich abgereist bin.«
    »Sie ist bereits über zwanzig, nicht wahr?«
    »Neunzehn, Ma'am.«
    »Sie wird noch ihr Leben lang eine alte Jungfer bleiben, wenn sie sich nicht beeilt, aber ich vermute, es gibt nichts Passendes auf dieser elenden Insel, auf der ihr lebt.« Sie ließ mein wunderschönes Zuhause wie einen kahlen Felsen klingen, der kaum imstande war, einer hohen Flutwelle zu widerstehen.
    Der Tee traf ein, und ich erduldete noch weitere zwei Stunden und zweiunddreißig Minuten eingehende Fragen über mein Leben und meine Zukunft und oberflächliche, harte Urteile über meine

Weitere Kostenlose Bücher