Der Rote Tod
Restaurant gehörte, dessen Möblierung typisch für die Bauweise des Jugendstils war. Dunkle Sitzmöbel mit Lederauflagen und sehr hohen Lehnen.
Ob die Bar alt war, fand ich nicht heraus. Dafür war sie gemütlich und in T-Form angelegt. Ein junges Mädchen mit hellblonden Haaren und der dunklen Kleidung einer Kellnerin, zählte an der Kasse etwas zusammen und kippte danach Eis in einen Kübel.
Dabei nahm sie mich wahr. Auf ihrem Gesicht erschien ein Lächeln. »Sie möchten etwas trinken?«
»Ja, ein Wasser.«
»Kommt sofort.«
Sie hielt ihr Versprechen. Auf Eis verzichtete ich, aber die Zitronenscheibe ließ ich schon im Glas, bevor ich es selbst füllte und den zischenden Perlen nachschaute, wie sie zur Oberfläche stiegen und zerplatzten. Ich hatte wirklich Durst. Da reichte eine Flasche Wasser nicht aus. Ich bestellte eine zweite, bevor ich zum Handy griff und die Nummer meines Freundes Stahl anwählte.
»Ja...«
Weiter ließ ich ihn nicht kommen. »Harry, ich sitze hier in der Hotelbar, lasse mich langsam voll laufen und warte auf dich.«
»Ist ja super.«
»Wann kommst du?«
»Ich bin hier im gerichtsmedizinischen Institut. Du kannst sicher sein, es dauert nicht mehr lange.«
»Dann warte ich.« Ich wechselte das Handy ans andere Ohr. »Gibt es sonst noch was Neues?«
»Ja, John, und damit meine ich nicht nur den dritten Mord. Aber das erzähle ich dir gleich.«
»Gut, bis dann.«
Die Kellnerin schob eine Flasche Champagner, eine Flasche Sekt und noch eine mit Prosecco in das Eis und war zufrieden, als die Flaschenhälse in verschiedene Richtungen hin wegschauten.
»Kann ich noch etwas für Sie tun?«, fragte sie.
»Danke, im Moment nicht.«
Sie lächelte mir noch einmal zu und verschwand von der Bar. Zurück blieb ich allein und kam mir vor wie der einsame Trinker, der hier seine Stunden verbrachte, sich voll laufen ließ und dann irgendwann vom Hocker kippte.
Mehr als zwei Flaschen Wasser brauchte ich nicht. Außerdem erschien mein Freund Harry Stahl schneller als erwartet.
Er war ein Mann, dessen Lebenskurve wie eine Achterbahn verlaufen war. Kommissar in der ehemaligen DDR, danach vom Westen übernommen, durch eine teuflische Intrige vom Dienst suspendiert, war er schließlich zu einem geheimnisvollen Verein gestoßen, der namentlich nicht präsent war. Harry arbeitete für die Regierung und hielt in Deutschland die Augen für Fälle offen, wie ich es in meinem Heimatland tat.
Er war mit seinem Job zufrieden. Vor allen Dingen mit seiner Partnerin Dagmar Hansen, mit der er nicht nur beruflich, sondern auch privat verbandelt war. Dagmar war die Frau mit den wilden, naturroten Haaren, die sich nicht bändigen ließen, doch sie gehörte zugleich auch zu einer besonderen Gruppe von Menschen, den Psychonauten, die ein drittes Auge besaßen, das Erbe eines uralten Volkes, das ein großes Wissen besessen hatte und eben durch die Existenz des dritten Auges Dinge sah, die den übrigen Menschen verborgen blieben.
Ich rutschte vom Hocker, als Harry in die Bar eintrat. Er wirkte wie jemand, der sich in Action befand. Er trug zur braunen Cordhose eine helle Lederjacke und ein weißes Hemd mit zwei Brusttaschen. Sein Haar war noch um eine Spur grauer geworden, sodass sich die schwarze und die andere Farbe die Waage hielten. In der letzten Zeit schien er draußen gearbeitet zu haben, denn sein Gesicht zeigte eine gesunde Bräune.
Wir umarmten uns, schlugen uns gegenseitig auf die Schultern und waren beide der Meinung, dass es verdammt lang her war, seit wir uns gesehen hatten.
»Fürth«, sagte ich.
»Genau. Die Pyramide.«
»Und jetzt befinden wir uns wieder in einem Hotel.«
Harry lachte. »Das aber normaler ist, denke ich. Nur haben wir hier eben keinen normalen Fall.«
»Das denke ich auch.«
Er nahm neben mir auf dem Hocker Platz. Schon war die Bedienung da und erkundigte sich nach seinen Wünschen.
Harry bestellte das Gleiche wie ich, nur doppelt so groß. »Durst ist bekanntlich schlimmer als Heimweh«, kommentierte er. »Ich hoffe, dass ich auch den Ärger runterspülen kann.«
»Den hast du auch?«
Er redete erst nach dem ersten Schluck. »Was glaubst du denn, wie begeistert die Kollegen hier sind, dass ich mitmische? Von dir habe ich lieber nichts erzählt.«
»Ist auch nicht wichtig.«
Harry schüttelte den Kopf. Er wollte noch mal auf seine Probleme zurückkommen, winkte jedoch ab und blieb sachlich.
»Es gibt einen dritten Toten, das sagte ich dir schon am Telefon. In der
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