Der Rote Tod
Rückseite der Bühne hinging, wurde neben ihr überraschend eine Tür geöffnet.
Nicht nur Hanna erschrak, sondern auch die Maskenbildnerin, die plötzlich vor ihr stand. Sie war um die 50, eine mächtige Person mit rotgefärbten Haaren.
Sie hieß Ellen, das wusste Hanna, und die Frau war es, die sich als Erste fing.
»Du bist es, Hanna! Himmel, hast du mich erschreckt!«
»Ja, ja, du mich auch.«
Ellen lächelte. Das bekam Hanna genau mit, weil sie ihr Gesicht beobachtete. Es war nichts Unnormales an ihrem Verhalten. Für Hanna stand fest, dass sie nichts von dieser Bluttat wusste.
Das Mädchen war nach dem Schreck einen Schritt nach hinten gewichen. »Ja, ich habe gesucht und nichts gefunden...«
Ellen schüttelte den Kopf. Die kreisrunden Ohrringe schwangen hin und her. »Was denn gefunden?«
Hanna wusste jetzt, dass sie Unsinn erzählt hatte. »Meinen Vater, meine ich.«
»Der ist doch schon auf der Bühne.«
»Ja? Ich habe nicht auf die Uhr geschaut.«
»Klar, ich sah ihn gehen.«
»Chris Bücker auch?«
»Natürlich. Das Stück hat angefangen.«
»Klar, stimmt. Ich habe nicht auf die Uhr geschaut.«
»Heute bist du aber komisch.«
»Kann sein, Ellen...« Hanna hob verlegen die Schultern. Hoffentlich merkt sie mir nicht mehr an!, schoss es ihr durch den Kopf. »Ich wollte nur... ich meine...«
»Willst du mit mir in die Garderobe kommen? In den nächsten vierzig Minuten habe ich frei. Wir könnten zusammen eine Cola trinken. Die kalten Flaschen stehen im Kühlschrank.«
»Vielleicht später, Ellen. Ich möchte eigentlich hinter die Bühne gehen und dort auf meinen Vater warten.«
»Wie du willst, aber denk daran, dass er sich nicht gern stören lässt. Auch nicht in der Pause.«
»Das weiß ich. Ich bin ja seine Tochter.«
»Klar, dich liebt er!«
Hanna konnte nur grinsen. Mich liebt er so sehr, dass er mich umbringen würde, wenn ich zu einer Gefahr für ihn werde, dachte sie. Doch sie sagte davon nichts.
»Dann lasse ich dich mal gehen, Hanna. Ich werde mir nämlich einen Schluck gönnen.«
»Ja, tu das.«
Hanna wartete, bis Ellen in der Garderobe verschwunden war, dann setzte auch sie sich in Bewegung. Den Weg kannte sie. Es ging wieder eine Treppe nach unten. Das Licht wurde noch schlechter. Nur eine Notbeleuchtung brannte am Ende.
Dort nahm sie schon den Geruch der Bühne wahr. Es war die Mischung aus Schminke und Kostümen, aus Parfüm und Schweiß. Das gehörte einfach dazu.
Obwohl man sie kannte, legte Hanna darauf Wert, nicht entdeckt zu werden. Zwar kannte sie den Inspizienten und auch die Helfer hinter der Bühne, sie würden auch nichts sagen, doch an diesem Abend war alles anders. Uns so schob sie sich in die Nische und hörte von der Bühne her die Stimme ihres Vaters, die ihr bei jedem gesprochenen Wort einen Schauer über den Rücken jagte...
***
Der Vorbau am Theater mit dem Dach darüber erinnerte mich im ersten Moment an einen Tempel, der der Architektur der Antike nachgebaut worden war. Es war für uns uninteressant. Wir interessierten uns nicht für das Außen, sondern für das Innen und mussten wieder mal erleben, dass wir nur Menschen waren und keine Perfektionisten.
Wir hatten das Ziel vor Beginn der Vorstellung erreichen wollen, und das war uns nicht gelungen. Zu spät. Es war bereits kurz nach 20 Uhr. Da hatten wir Pech gehabt.
»Das ist Scheiße!«, sagte Harry Stahl nur und sprach mir damit aus der Seele.
»Dann holen wir ihn eben...«
Eine Männerstimme schnitt mir das Wort ab. »Herr Stahl...?«
Harry drehte sich um. Ein Mann in der grünen Uniform eines Polizisten eilte auf uns zu. Er hatte seinen Streifenwagen verlassen, der im Schatten eines LKWs parkte.
»Ja bitte?«
Der Beamte blieb stehen und atmete schnaufend. Er schien unter Druck zu stehen.
»Ich suche die Hauptkommissarin Dorn. Wissen Sie vielleicht, wo ich sie finden kann?«
»Nein, wir haben keine Ahnung.«
»Komisch...«
»Wieso?«
»Sie wollte herkommen.«
»Und weiter?«
Der Polizist strich über seine Nase. »Ich habe keine Ahnung. Ich kann sie auch nicht erreichen. Ihr Handy ist wohl abgeschaltet. Das macht mir Sorgen. Schließlich befinden wir uns in einem Einsatz.«
»Seltsam ist das schon«, gab Harry zu. »Passen Sie auf, wir kümmern uns später darum. Es kann auch sein, dass wir sie hier im Theater treffen. Beruhigt?«
»Einigermaßen.«
»Dann halten Sie die Stellung.«
»Aber du bist nicht beruhigt«, sagte ich, als wir auf den Eingang des Musentempels
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