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Der Rote Wolf

Der Rote Wolf

Titel: Der Rote Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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gern Sophia Grenborg gesprochen«, sagte sie.
    Die Stimme, die sich daraufhin meldete, war ebenso perlend wie die auf dem Anrufbeantworter.
    »Mein Name ist Sara, ich arbeite für die Zeitung
Landtagswelt«,
behauptete Annika und starrte das Namensschild an. »Wir machen in der Vorweihnachtszeit eine kleine Umfrage, und ich wollte mich erkundigen, ob Sie bereit wären, dabei mitzumachen.«
    Sophia lachte zwitschernd.
    »Jaaa«, sagte sie, »das lässt sich wohl machen …«
    »Was wünschen Sie sich zu Weihnachten?«, sagte Annika und strich mit der Hand über Sophias Wohnungstür.
    Die Frau am anderen Ende der Leitung lachte erneut.
    »Einen Kuss von meinem Geliebten«, antwortete sie, »obwohl ich auch schon mit etwas Badesalz ganz zufrieden wäre.«
    Annika wurde schwarz vor Augen.
    »Von Ihrem Geliebten?«, sagte sie mit belegter Stimme. »Meinen Sie damit Ihren Mann?« Erneutes Lachen.
    »Er ist im Moment noch ein kleines Geheimnis. Sie sind von der
Landtagswelt,
sagten Sie? Das ist eine gute Zeitung, Ihre Berichterstattung über unser Interessengebiet ist wirklich vorbildlich. In welcher Ausgabe wird die Umfrage erscheinen?«
    Annika schloss die Augen und rieb sich über die Stirn, das Treppenhaus geriet ins Wanken.
    »Wird was erscheinen?«
    »Na, die Umfrage! Kommt sie noch vor Weihnachten?« Annika musste sich hinsetzen und lehnte sich an die Wohnungstür.
    »Wir wissen noch nicht genau, wo wir Platz dafür haben, das kommt ein bisschen auf die Anzeigen an.«
    Erschienen in der
Landtagswelt
Anzeigen? Sie wusste es nicht.
    Es wurde still im Hörer, und Annika lauschte den rhythmischen Atemzügen Sophia Grenborgs.
    »Wenn Sie sonst keine Fragen mehr haben«, meinte Sophia, »dann …«
    »Ich heiße übrigens auch Grenborg«, sagte Annika. »Glauben Sie, dass wir verwandt sind?«
    Jetzt war das Lachen der Frau nicht mehr ganz so herzlich.
    »Na ja, wie sagten Sie, war Ihr Name?«
    »Sara«, antwortete Annika. »Sara Grenborg.«
    »Aus welchem Zweig der Familie stammen Sie?«
    Bildete sie sich das nur ein, oder zog Sophia jetzt tatsächlich die I-Laute ein wenig in die Länge, wie es in vornehmen Stockholmer Kreisen üblich war?
    »Aus dem sörmländischen«, sagte Annika.
    »Wir stammen aus Ostergötland, vom Gutshof in der Gemeinde Väse. Sind Sie eine Nachfahrin von Carl-Johan?«
    »Nein«, sagte Annika. »Von Sofia Katarina.«
    Plötzlich konnte sie dieser verdammten, vornehmen Sophia Grenborg keine Sekunde länger zuhören und unterbrach mitten in einem Wort die Verbindung.
    Anschließend blieb sie still sitzen und wartete, bis ihr Puls sich wieder beruhigt hatte. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich auf die kalte Treppe, lauschte Sophias Stimme nach, sah sie auf ihrer tollen Stelle bei ihrem tollen Landtagsverband sitzen und die Artikel in der
Landtagswelt
gut finden. Eine Frau, die so blutleer und angepasst und allseits geschätzt war, dass Annikas Mann sie vor dem Kaufhaus küssen wollte. Eine Frau, die all das war, was sie niemals sein würde.
    Sie verließ das Haus, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Der Mann wurde davon wach, dass der rosa Bettbezug ihn an der Nase kratzte.
    Er schnaubte und stöhnte auf, als der Schmerz in seinen Eingeweiden sein Gehirn erreichte. Die holzgetäfelte Decke schien sich in langsamen Wellen zu bewegen, und er starrte stattdessen die Wand mit der Glasfasertapete an. Sein eigener Geruch verschlug ihm fast den Atem.
    La mort est dans cette ville,
dachte er und stöhnte.
    Er sah das Gesicht des Arztes über sich schweben, wie an jenem Tag, an dem er aus der Narkose erwacht war, sah die angespannten Kiefer und den ausweichenden Blick seines Freundes. Er hatte sich vorher über Konsequenzen und Alternativen informiert und verstand sofort.
    Nicht operabel oder behandelbar. Er würde nur noch drei bis sechs Monate zu leben haben. Die Zeit, die ihm bis zu seinem Tod blieb, würde ihm viele Schmerzen, Übelkeit, Probleme bei der Nahrungsaufnahme, Gewichtsabnahme, Müdigkeit und Blutmangel bringen. Behandelt wurden diese Symptome mit Medikamenten gegen die Übelkeit, schmerzstillenden Mitteln sowie Nahrungspräparaten.
    Er wusste, dass er dahinsiechen, geradezu verrotten würde. Mit der Zeit würde der Geruch, den er verströmte, immer durch dringender werden, aber der Arzt, mit dem er befreundet war, hatte ihm geraten, erst gar nicht zu versuchen, ihn mit Parfüms oder Rasierwasser zu überdecken.
    Es würde ihm ohnehin nicht gelingen.
    Jetzt ließ er den Blick durch das

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