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Der Rote Wolf

Der Rote Wolf

Titel: Der Rote Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Nach Melderstein wurde die Stimmung regelrecht gehässig. Zwei Kameraden ließen es auf einen offenen Machtkampf mit ihm ankommen und zogen die anderen auf ihre Seite, und er nahm seine Familie und ging. Er überließ den spießbürgerlichen Kleinstadtkommunismus dem langsamen Pesttod und formierte seine eigene Gruppe mit dem Ziel der wirklichen Machtübernahme.
    Wieder drehte sich das Messer in seinem Bauch. Magenkrebs war im Europa von heute relativ selten und schlug blind zu. Man operiert, um festzustellen, ob eine Behandlung möglich ist oder nicht. Es zeigen sich Symptome wie bei einem Magengeschwür, doch wenn man eine Gastroskopie durchführt, findet man hässliche Wunden und vermutet einen Tumor, was sich bei einer Untersuchung unter dem Mikroskop bestätigt. Man schneidet den Patienten auf, findet Metastasen an den benachbarten Organen und näht den Bauch einfach wieder zu. Metastasen in der Lunge, an Knochengerüst und Gehirn, und der Patient siecht im allgemeinen Kräfteschwund aufgrund einer zu großen Tumorbelastung dahin.
    In drei bis sechs Monaten.
    Dann stand plötzlich sein Vater an seinem Bett, und er stöhnte laut auf. Seine Lungen zogen sich krampfhaft zusammen. Er schob sich verängstigt zur Wand.
    »Die Erbsünde«, donnerte der Mann über ihm, und seine Stimme hallte zwischen den Wänden der Hütte. »Ich klage dich am Ich mache dich verantwortlich für Adams und Evas Sündenfall.«
    Und die Peitsche wurde erhoben und traf sein Zwerchfell, eine gewaltige Konvulsion zwang ihn, das Nahrungspulver zu erbrechen. Die Stimme seines Vaters gewann an Stärke und füllte den Raum wie ein dissonant spielendes Symphonieorchester.
    »Du beginnst dein Leben vom Grund, du Teufel von einem Kind, böse bist du, gemein und von Satan besessen.«
    Er versuchte, zu protestieren, um Gnade zu flehen und die gleiche Litanei anzustimmen, die er seine ganze Kindheit hindurch gesungen hatte. Vater, lieber Vater, zeige dich barmherzig, doch die Peitsche schlug zu und traf seinen Mund.
    Der Schmerz verschlug ihm für einen Moment den Atem.
    »Der Leibhaftige soll aus deinem Herzen vertrieben und deine ewige Seele für das Himmelreich errettet werden.«
    Erneut wurde die Peitsche erhoben, und er sah zu dem Mann auf, der in seinem fadenscheinigen Priestergewand unter der Decke schwebte, und wusste, dass die Erlösung bald da sein würde.
    »Vater«, flüsterte er und spürte, wie Blut und Erbrochenes aus seiner Nase liefen. »Mutter bekam nie mehr ein Kind. Weißt du auch, warum?«
    Das Donnern im Raum verebbte, als der Vater verstummte, sein glühender Blick erblasste, und die Peitsche hielt inne.
    »Ich blieb allein«, flüsterte er seinem Vater zu, »und du hast niemals verstanden, warum das so war. Der Herr weiß, dass du dir seine Ermahnung zu Herzen genommen hast, die Erde zu bevölkern, aber es kamen keine weiteren Kinder.
    Hast du es wirklich nie begriffen?«
    Der Vater trieb abwartend und mit weißen Lippen unter dem Holzdach.
    »Mutter ließ meine Brüder und Schwestern bei der Samenfrau in Vittangi abtreiben«, keuchte er. »Lieber sollten sie von der Samenfrau aus ihrem Schoß
    geschabt werden, als dir in die Finger zu geraten und die Erbsünde aus dem Leib gepeitscht zu bekommen.«
    Die Peitsche erwachte wieder zum Leben und traf seinen Kopf, und die Erde ward wüst und leer.
    Annika ließ Mantel, Schal und Handschuhe im Flur auf den Fußboden fallen, schob das nicht gegessene Frühstück zur Seite und stellte ihr Notebook auf den Küchentisch. Dann ging sie zur Homepage des Landtagsverbands und verschaffte sich einen Überblick über seine Organisationsstruktur. Auf der Rückseite ihrer Tageszeitung notierte sie die Abteilungen für Demokratie & Gesundheitspolitik, Wirtschaft & Selbstverwaltung sowie die Abteilung für Internationale Finanzen. Mit der Hand auf dem Mund dachte sie fieberhaft nach.
    Das sollte eigentlich reichen. Drei verschiedene Abteilungen, die höchstwahrscheinlich nicht gerade Weltmeister in Sachen interne Kommunikation waren. Drei gleichgestellte, ständig unter Druck stehende Abteilungsleiter.
    Sie atmete tief durch, wählte die Nummer des Landtagsverbands und fragte zunächst nach dem Leiter der Abteilung für Demokratie & Gesundheitspolitik.
    »Guten Tag«, sagte Annika und räusperte sich, »mein Name ist Annika Bengtzon, und ich arbeite für das
Abendblatt
…«
    Der gestresste Abteilungsleiter unterbrach sie unwirsch.
    »Ich muss Sie bitten, sich an unsere Presseabteilung zu wenden,

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