Der Rote Wolf
zerbrechlich und steinhart.
Sie musste seinen Blick gespürt haben, denn sie schaute auf und sah ihn verwirrt an.
»Was ist?«, fragte sie.
Er wandte sich ab.
»Nichts.«
»Ach so«, sagte sie, nahm die Zeitung und verließ die Küche.
»Du«, rief er ihr hinterher. »Meine Mutter hat angerufen und uns zum Essen eingeladen, ich habe zugesagt, ich hoffe, das war okay?«
Warum frage ich eigentlich?, dachte er. Warum bitte ich um Entschuldigung dafür, dass ich zugesagt habe, meine Eltern zu besuchen?
»Was hast du gesagt?«
Sie kehrte mit energischen Schritten in die Küche zurück, und er drehte sich um und sah sie mit der Zeitung in der Hand vor sich stehen.
»Zwölf Uhr Essen in Vaxholm«, sagte er. Sie schüttelte ungläubig den Kopf.
»Wie kannst du nur zusagen, ohne vorher mit mir gesprochen zu haben?«
Er drehte sich wieder zum Herd um und goss Wasser in die Kaffeekanne.
»Du hast wie üblich mit dem Handy telefoniert, ich wollte dich nicht stören.«
»Das hier stört mich wesentlich mehr, könnte man sagen. Ich werde nicht mitkommen.«
Am liebsten hätte er sie gepackt und geschüttelt, bis sich der Haarknoten im Nacken löste und ihre Zähne klapperten und der Bademantel von ihren Schultern glitt. Stattdessen schloss er die Augen, versuchte ruhig zu bleiben und sprach in Richtung Abzugshaube, als er antwortete.
»Ich werde mich nicht so verhalten, dass ich irgendwann auch so eine schlechte Beziehung zu meinen Eltern habe wie du zu deinen.«
Er hörte am Rascheln der Zeitung, dass sie die Küche wieder verließ.
»Okay«, sagte sie neutral im Flur. »Nimm die Kinder mit, aber ich bleibe hier.«
»Natürlich kommst du mit«, sagte er, immer noch an die Abzugshaube gewandt.
Sie kehrte in die Küche zurück. Er warf ihr einen Blick über die Schulter zu, abgesehen von den Strümpfen war sie nackt.
»Und wenn nicht?«, fragte sie. »Wirst du mich dann schlagen und an den Haaren hinzerren?«
»Sehr witzig«, erwiderte er.
»Ich geh jetzt duschen«, sagte sie.
Er musste auf ihre hüpfenden Pobacken schauen, als sie erneut in den Flur hinausging.
Sophias Körper war wesentlich runder geformt, und ihre Haut war rosig.
Annikas Haut hingegen war grünlich, und in der Sonne wurde sie schnell olivfarben.
Sie ist ein Alien, dachte Thomas. Eine kleine grüne Frau von einem anderen Planeten, stachlig und unförmig und verstockt. Kann man mit einer Außerirdischen zusammenleben?
Er schüttelte den Gedanken ab. Warum machte er es sich nur selbst so wahnsinnig schwer?
Es gab einen Ausweg, er hatte eine Wahl. Er konnte das Leben zurückbekommen, das ihm gefehlt hatte, eine Beziehung zu einer weichen und rosigen Frau mit Menschlichkeit und Apfelhaaren, die ihn mit offenen Armen in ihrer Dachwohnung empfangen würde.
Mein Gott, dachte er, was soll ich nur tun?
In der nächsten Sekunde klingelte das Telefon.
Nein, dachte er. Das ist sie. Warum ruft sie hier an? Ich habe ihr doch gesagt, sie soll hier nicht anrufen.
Es klingelte ein zweites Mal.
»Gehst du mal ran?«, rief Annika aus der Dusche.
Ein drittes Mal.
Mit pochenden Schläfen riss er den Hörer an sich und versuchte, ein wenig Spucke im Mund zu sammeln.
»Ja, hallo«, hörte er sich mit staubtrockenem Mund sagen. »Ich muss mit Annika sprechen.«
Es war Anne Snapphane. Sie klang, als würde sie ersticken, während er einfach nur erleichtert war.
»Sicher«, sagte er aufatmend. »Ich hole sie.«
Annika stieg aus der Badewanne, griff sich ein Handtuch und hinterließ auf dem Weg zum Telefon nasse Fußspuren. Der scharfe Stein drehte sich in ihrer Brust, die Engel summten unruhig im Hintergrund. Als sie an Thomas vorbeiging und den Hörer nahm, vermied sie es, ihn anzusehen, spürte jedoch seine Kälte.
»Hast du die Zeitung gelesen?«, sagte Anne Snapphane mit gepresster und heiserer Stimme.
»Hast du einen Kater?«, fragte Annika und schob den Käse zur Seite, um sich auf den Küchentisch setzen zu können. Thomas seufzte laut und rückte zwei Millimeter, um ihr Platz zu machen.
»Das kannst du wohl laut sagen, aber darum geht es jetzt nicht. Björnlund hat meinen Sender dichtgemacht.«
Annika schob das Brot beiseite, um mehr Platz zu haben. »Wovon redest du?«, sagte sie.
»Die Kultusministerin hat mir soeben meinen Arbeitsplatz genommen. Es steht in der Zeitung.«
Thomas drehte sich demonstrativ halb weg. »Wo denn? Die hab ich doch gerade gelesen.« »Auf der Titelseite.«
Annika beugte sich vor und griff nach dem
Weitere Kostenlose Bücher