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Der Rote Wolf

Der Rote Wolf

Titel: Der Rote Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Landtagsverband einmal untersucht habe, warum eine Angestellte namens Sophia Grenborg im letzten Kalenderjahr ganze 269900 Kronen als zu versteuerndes Einkommen angegeben habe.
    Dem Abteilungsleiter verschlug es die Sprache. Annika schloss mit der Frage:
    »Der Landtagsverband wird aus Steuermitteln finanziert. Finden Sie es in Ordnung, dass Angestellte des Landtagsverbands versuchen, sich vor Steuerzahlungen zu drücken?«
    Darauf konnte der Mann nur eine Antwort geben:
    »Natürlich nicht.«
    Sie versprach, sich wieder bei ihm zu melden, um zu hören, was die internen Untersuchungen in dieser Frage ergeben hatten.
    Anschließend stand sie auf und stellte fest, dass ihre Beinmuskeln völlig verkrampft waren.
    Sie schlug mit den Fäusten gegen die Beine, bis sie ihr wieder gehorchten, erhitzte eine Tasse Kaffee in der Mikrowelle und führte das dritte Telefonat mit dem Leiter der Abteilung für Internationale Finanzen, den sie fragte, wie der Landtagsverband zu rechtsextremen Tendenzen bei den Angestellten stand. Ihr liege eine Information vor, nach der eine der Angestellten früher aktives Mitglied in einer extremistischen Gruppierung gewesen sei. Der Cousin der Angestellten sei sogar wegen Volksverhetzung verurteilt worden, und sie stelle sich nun die Frage, ob es angemessen sei, dass ausgerechnet diese Person Mitglied der Projektgruppe sei, die sich mit der Sicherheit von Politikern befasse, unter anderem auch mit rechtsextremistischen Drohungen gegen Volksvertreter.
    Der Leiter der Abteilung für Internationale Finanzen konnte diese Frage zum jetzigen Zeitpunkt leider nicht beantworten, versprach jedoch, der Sache nachzugehen und Stellung zu beziehen. Ob sie ihn am Montag oder Dienstag noch einmal anrufen könne.
    Danach sackte Annika auf dem Küchenstuhl in sich zusammen und war an Leib und Seele erschöpft. Sie war gesprungen. Jetzt kam es nur noch darauf an, auf den Füßen zu landen.

SONNTAG, 22. NOVEMBER
    Thomas streckte sich nach der Kaffeekanne aus, musste jedoch feststellen, dass sie leer war. Er ärgerte sich, seufzte lautlos und sah hastig zu seiner Frau auf der anderen Seite des Frühstückstischs hinüber. Die war inzwischen bei ihrer vierten Tasse angelangt, hatte sich, mit anderen Worten, die ganze Kanne einverleibt, die er aufgesetzt hatte, ehe er überhaupt dazu gekommen war, auch nur eine Tasse zu trinken. Sie bemerkte seine Frustration nicht, da sie sich in den Essay eines Professors für Islamkunde vertieft hatte, in dem es um die Frage ging, wer eigentlich ein Iraker war. Ihre Haare hatte sie am Hinterkopf zu einem wirren Knäuel geschlungen, und sie strich sich unbewusst eine Strähne aus dem Gesicht, die ihr immer wieder in die Augen fiel. Der Bademantel saß locker, und er konnte ihre glänzende Haut unter dem Frotteestoff sehen. Er sah weg und stand auf.
    »Möchtest du noch einen Kaffee?«, sagte er ironisch. »Nein danke, ich hab genug.«
    Sie blickte nicht auf, bemerkte ihn überhaupt nicht.
    Ich bin nur ein Möbelstück, dachte er. Ein Werkzeug, damit sie bequem leben und die verdammten Artikel schreiben kann, die sie schreiben will.
    Er biss die Zähne zusammen und füllte den Wasserkessel. Zu Hause in Vaxholm hatten sie immer einen elektrischen Wasserkocher gehabt, sowohl in seinem Elternhaus als auch während seiner Ehe mit Eleonor, aber Annika fand das unnötig.
    »Noch ein Apparat. Wir haben doch jetzt schon so wenig Platz.
    Außerdem geht es viel schneller, Wasser auf dem Gasherd zu kochen als in einem Wasserkocher.«
    Das war zwar durchaus richtig, aber darum ging es gar nicht.
    Es ging vielmehr darum, dass sein Spielraum immer mehr beschnitten wurde.
    Sie nahm so unglaublich viel Platz ein, und je mehr sie für sich in Anspruch nahm, desto weniger blieb für ihn übrig.
    Vor der Sache mit der Mörderin war ihm das nicht so aufgefallen. Damals entwickelte sich alles in kleinen Schritten, sein Lebensraum wurde nach und nach enger, ohne dass er es überhaupt bemerkt hätte. Sie bekamen die Kinder, und sie wurde Chefin, und da war es doch nur selbstverständlich, dass er für die Familie da war. Doch dann, als sie zu Hause war und sich um die Wohnung und die Kinder kümmern konnte, wurde alles wieder wie immer, und nun sollte er sich plötzlich wieder in einer kleinen Nische verkriechen und das Leben ihr überlassen.
    Er betrachtete seine Ehefrau, während der Wasserkessel leise säuselte. Sie war schroff, kantig und klein und hatte weiche Brüste. Sie war schutzlos und

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