Der Rote Wolf
Polizeipräsidium.«
Sie war in der Telefonzentrale gelandet.
»Suup«, sagte sie, »ich möchte Kommissar Suup sprechen.«
»Er ist nicht mehr im Haus«, meinte Karlsson.
Ihr Gehirn lief auf Hochtouren. Sie schloss die Augen und strich sich mit einer schweißnassen Handfläche über die Stirn.
»Ist Forsberg noch da?«, fragte sie.
»Welcher Forsberg? Wir haben drei.«
»Der von der Kriminalpolizei?«
»Warten Sie, ich verbinde.«
Sie wurde weggedrückt und wartete. Drei Minuten später gab sie auf und rief noch einmal an.
»Ich möchte gern mit jemandem sprechen, der die Morde an Benny Ekland und Linus Gustafsson bearbeitet«, sagte sie in Panik, als sie erneut Karlsson am Apparat hatte.
»Worum geht es?«, sagte der offensichtlich noch recht junge Beamte desinteressiert.
Sie zwang sich, ruhig zu atmen.
»Mein Name ist Annika Bengtzon, ich bin Reporterin beim
Abendblatt,
und ich …«
»Suup kümmert sich um die Presse«, unterbrach Karlsson sie. »Rufen Sie ihn morgen an.«
»Jetzt hören Sie mir mal zu!«, schrie sie. »Ragnwald ist hier, Göran Nilsson, der Gelbe Drache, ich weiß, wo er ist, er ist in einem kleinen Backsteinhaus neben der Bahnlinie, zusammen mit Karina Björnlund, Sie müssen kommen und ihn verhaften, und zwar sofort!«
»Björnlund?«, sagte Karlsson. »Die Kultusministerin?«
»Ja!«, schrie Annika. »Sie ist bei Göran Nilsson aus Sattajärvi, und die beiden befinden sich in einem Haus unterhalb des Eisenhüttenwerks, ich kann Ihnen nicht genau erklären, wo es ist, aber es steht in der Nähe einer Überführung …«
»Sagen Sie mal, geht es Ihnen gut?«, fragte Karlsson.
Sie hielt inne und erkannte, dass sie wie ein Idiot klingen musste, räusperte sich und zwang sich, ruhig und vernünftig zu sprechen.
»Ich weiß, dass sich das alles ein bisschen verrückt anhört«, sagte sie. »Ich rufe aus einem Stadtteil an, der Lövskatan heißt, er liegt nicht weit vom Eisenhüttenwerk entfernt, die Eisenerzbahnlinie verläuft gleich nebenan …«
»Wir sind uns durchaus bewusst, wo Lövskatan liegt«, meinte der Polizeibeamte, und sie hörte, dass er allmählich die Geduld verlor.
»Ein Mann, der seit vielen Jahren von der Polizei gesucht wird, ist nach Lulea zurückgekehrt«, sagte Annika und klang bei diesen Worten fast normal. »Er heißt Göran Nilsson, und seit er nach Schweden zurückgekehrt ist, hat er mindestens vier Morde begangen, die Mao-Morde, Sie wissen schon, und im Moment hält er sich vor diesem Haus auf, oder jedenfalls war er dort noch vor kurzem, einem Backsteinhaus mit einem Blechdach im Wald kurz hinter einer Überführung …«
Polizeiassistent Karlsson seufzte vernehmlich.
»Die Dienst habende Beamtin ist gerade bei der Übergabe«, meinte er, »aber ich werde sie informieren, sobald sie zurückkommt.«
»Nein!«, schrie Annika. »Sie müssen jetzt kommen! Ich weiß nicht, wie lange er noch da sein wird.«
»Jetzt beruhigen Sie sich mal«, erwiderte der Polizist bestimmt. »Ich sage Ihnen doch, dass ich mit der Dienst habenden Beamtin sprechen werde.«
»Na schön. Ich warte hier an der Bushaltestelle, bis Sie kommen, dann kann ich Ihnen von hier aus den Weg zu dem Haus zeigen. Ich stehe hier mit meinem Auto, es ist ein silberfarbener Volvo.«
»In Ordnung«, sagte der Polizist. »Warten Sie dort bitte auf uns.«
Dann legte er auf.
Annika betrachtete das Display ihres Telefons, ein leuchtend grünes Rechteck in der Dunkelheit.
Sie wählte Janssons Durchwahl am Newsdesk.
»Ich bleibe heute Abend vielleicht in Lulea und wollte nur hören, ob es okay ist, wenn ich in dem Fall im Hotel einchecke«, sagte sie, als er an den Apparat ging.
»Warum willst du denn noch bleiben?«, fragte Jansson.
»Hier könnte sich noch was ergeben«, antwortete sie.
»Kein Terrorismus«, beschwor Jansson sie. »Man hat mir heute Morgen die Hölle heiß gemacht, weil ich dir erlaubt habe, nach Nordschweden zu reisen.«
»Okay«, sagte Annika.
»Hast du mich verstanden?«, hakte Jansson nach. »Keine verdammte Zeile über irgendeinen Terroristen, kapiert?«
Sie wartete eine Sekunde, ehe sie antwortete.
»Klar, geht in Ordnung. Ich verspreche es«, erwiderte sie.
»Übernachte im Hotel«, sagte der Chef vom Dienst, nun näher am Hörer und mit wesentlich leiserer und freundlicherer Stimme. »Ruf den Zimmerservice an, guck einen Porno, ich unterschreibe jede Spesenrechnung. Ich weiß doch, wie das ist, manchmal muss man einfach raus.«
»Okay«, erwiderte sie
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