Der Rote Wolf
Backsteingebäude.
Die Fenster waren mit Eisenluken verriegelt, und eine halb ein gestürzte Holztreppe führte zur Eingangstür, die einen Spaltbreit offen stand.
Annika blieb stehen, bekam einen Stoß in den Rücken.
»Los, rein mit Ihnen, das ist doch nur ein altes Kompressorenhaus.«
Die Tür war mit zwei festgeschweißten Eisenhaken versehen, die mit einem rostigen alten Vorhängeschloss verbunden werden konnten. Annika griff danach und zog sie auf.
Ihr schlug der gleiche Ekel erregende Geruch entgegen, den sie bereits hinter den Fichten wahrgenommen hatte.
Ragnwald war in diesem Haus.
Sie betrat eine kompakte Dunkelheit, blinzelte und hörte Menschen atmen. Es war eiskalt in dem Gebäude, paradoxerweise kam es ihr hier sogar noch kälter vor als im Freien.
»Wer sind Sie?«, fragte Karina Björnlund aus der linken hinteren Ecke.
»Wir haben vornehmen Besuch«, meinte Hans Blomberg, stieß Annika ins Haus, trat ein und schloss die Tür hinter sich.
Die Kultusministerin machte ein Feuerzeug an, sodass ein schwacher Lichtschein den Verschlag erhellte. Die Schatten über ihrer Nase und ihren Augen ließen sie wie ein Monster aussehen. Neben ihr stand der Penner Yngve, Göran Nilsson lehnte rechts von den beiden an der Wand. Neben ihm hing ein verstaubtes Plakat des Vorsitzenden Mao.
Beim Anblick des Massenmörders geriet Annika erneut in Panik, spürte das charakteristische Kribbeln in den Fingern und den Schwindel.
Ganz ruhig, dachte sie. Du darfst jetzt nicht hyperventilieren. Halt die Luft an.
Karina Björnlund bückte sich und zündete eine kleine Kerze zu ihren Füßen an, ließ das Feuerzeug fallen und richtete sich mit der Kerze in der Hand wieder auf.
»Was soll das?«, sagte sie und sah Hans Blomberg an. »Warum hast du sie mitgebracht?«
Sie stellte die Kerze auf eine Maschine, die ein alter Kompressor sein mochte.
Bei jedem Atemzug waren alle Anwesenden von Rauchwolken umgeben.
Ich bin nicht allein, dachte Annika. Es ist nicht wie im Tunnel.
»Darf ich vorstellen«, sagte Hans Blomberg, »Fräulein Annika Bengtzon, herumschnüffelnder Schmierfink vom
Abendblatt.«
Karina Björnlund zuckte zusammen, als hätte sie einen elektrischen Schlag bekommen, und wich einen Schritt zurück.
»Hast du sie noch alle?«, fragte sie laut. »Du bringst eine Journalistin hierher?
Begreifst du denn nicht, in welche Schwierigkeiten du mich damit bringst?«
Göran Nilsson sah die anderen an, seine Augen waren trüb und müde.
»Außenstehende haben hier nichts zu suchen«, sagte er mit erstaunlich schneidender Stimme. »Panther, was hast du dir dabei gedacht?«
Hans Blomberg, der Schwarze Panther, zog die Tür hinter sich zu und lächelte.
»Fräulein Bengtzon wusste ohnehin schon von uns«, sagte er. »Sie stand hier draußen, ich konnte sie ja schlecht abhauen und uns verpfeifen lassen.«
Karina Björnlund ging auf Blomberg zu.
»Jetzt hast du alles kaputtgemacht«, sagte sie gellend. »Alles, wofür ich all die Jahre gekämpft habe. Dafür soll euch der Teufel holen!«
Sie nahm ihre Tasche und wandte sich zur Tür. Das Licht der Kerze fiel jetzt auf Göran Nilsson. Annika konnte keine Waffe sehen. Das Gesicht des Mannes war eingefallen und abgezehrt, er sah krank und schwach aus.
Aber Karina Björnlund hatte Angst vor ihm und blieb unsicher stehen.
»Warte«, sagte er zu der Ministerin und wandte sich anschließend an Blomberg.
»Übernimmst du die Verantwortung für sie? Garantierst du die Sicherheit der Gruppe?«
Annika starrte den Massenmörder an, sah seine hinfällige Erscheinung und hörte seine bedächtigen Formulierungen, so als müsste er erst nach den Worten suchen, ehe er sie fand.
»Kein Problem«, meinte der Archivar enthusiastisch. »Ich kümmere mich später um sie.«
Annikas Füße fühlten sich an wie Blei, ihr Körper wurde schwer und starr.
Innerlich hörte sie ein jammerndes Flehen, aber es drang nicht aus ihrer Kehle.
Der Gelbe Drache sah Annika unverwandt an.
»Stell dich da in die Ecke«, sagte er und zeigte mit einer Geste, wohin sie gehen sollte.
»Eine Reporterin können wir hier nicht gebrauchen, das müsst ihr doch verstehen«, sagte Karina Björnlund aufgebracht. »Damit bin ich nicht einverstanden.«
Der Drache hob eine Hand.
»Jetzt ist es genug«, sagte er. »Unser Oberbefehlshaber trägt die Verantwortung.«
Er steckte die Hände in die Taschen. Die Waffe, dachte Annika.
»Es ist heute sehr kalt«, sagte er. »Darum werde ich mich kurz
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