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Der Rote Wolf

Der Rote Wolf

Titel: Der Rote Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Tiger oder der Löwe?«
    Er sah geradeaus und tat, als hätte er ihre Frage nicht gehört, aber sein Griff wurde noch etwas fester. Die letzten Häuser verschwanden allmählich hinter ihnen, sie näherten sich dem Verkehrsschild. Annika schielte nach links, an den Strommasten vorbei zum Wald.
    »Und Sie wohnen hier draußen im Wald?«
    Er antwortete nicht, und im nächsten Moment war sie wieder in dem Tunnel, die Erde geriet ins Taumeln, und sie hörte jemanden stoßweise und keuchend atmen und erkannte, das war sie selbst.
    »Nein«, sagte sie. »Ich will nicht. Bitte.« Ihre Beine gaben nach, aber Hans Blomberg fing sie lächelnd auf.
    »Sie sind doch Reporterin«, sagte er, »eine richtig neugierige kleine Reporterin.
    Da wollen Sie doch sicher auch eine gute Story haben, oder nicht?«
    Und sie sah die Rohre an der Tunneldecke über sich und begann zu weinen.
    »Lassen Sie mich los!«
    Sie stemmte die Füße gegen das Eis, widersetzte sich und bekam einen kräftigen Schlag an den Kopf, sodass sie Sterne sah. Die Bilder aus der Vergangenheit holten sie ein: Sven war wieder da und schrie sie an, und sie duckte sich, sank auf die Erde und hielt die Hände schützend über den Kopf. »Schlagen Sie mich nicht.«
    Die Welt kam zum Stillstand, die Erde taumelte nicht mehr, und sie hörte sich wieder keuchen, blickte dann vorsichtig auf und sah Hans Blomberg betrübt den Kopf schütteln.
    »Sie stellen sich vielleicht an«, sagte er. »Stehen Sie auf. Der Führer wartet.«
    Und so stolperte sie im Mondschein weiter, während die Eisenbahnscheinwerfer rechts von ihr in der Ferne schaukelten. Die Engel blieben stumm. Wo sonst ihre ängstlichen Stimmen gesungen hatten, gab es jetzt nur eine dunkle Leere.
    Sie gingen an dem Skanska-Haus vorbei, in dem nirgendwo Licht brannte.
    »Wir gehen zu dem Haus, nicht wahr? Dem Haus gleich hinter der Überführung?«
    »Aha, dann haben Sie das Hauptquartier also schon gefunden«, erwiderte der Archivar in seinem gutmütigen Tonfall. »Ist da also jemand ein bisschen durchs Gebüsch geschlichen? Wie begabt von Ihnen. Dann kann ich Ihnen ja auch ein wenig darüber erzählen, was Sie dort erwartet. Der Drache hat uns wieder zusammengerufen. Ich denke nicht, dass alle kommen werden, es gab in letzter Zeit ein paar Verluste, aber Karina ist bestimmt da, und Yngve garantiert auch.
    Der verpasst nie eine gute Party.«
    Der Archivar lachte laut, während Annika gegen ihre Übelkeit ankämpfte.
    »Der arme Yngve«, fuhr der Mann fort. »Göran wollte, dass ich mich um ihn kümmere, aber was soll man machen? Um einem Alkoholiker zu helfen, muss man den ganzen Unterdrückungsapparat verändern, und dazu sah ich mich nicht in der Lage. Leider muss ich gestehen, dass Yngve heute jeden Kontakt zur Wirklichkeit verloren hat, es ist wahrlich bedauerlich. Ich bin meinem Auftrag nicht gewachsen gewesen …«
    Im nächsten Moment hörte sie hinter sich ein dumpfes und säuselndes Geräusch, schielte über ihre Schulter nach hinten und starrte in die Scheinwerfer einer gigantischen Diesellok, die sich auf den Schienen näherte.
    »Geradeaus«, sagte Hans Blomberg.
    Annika gehorchte und sah verstohlen zu der großen Lokomotive hinüber, die langsam mit einer nicht enden wollenden Reihe voll beladener Eisenerzwaggons im Schlepptau an ihr vorbeiratterte.
    Ihr Herz pochte, und sie versuchte sich selbst aus der Perspektive des Lokomotivführers zu sehen. Schwarz gekleidet vor einem dunklen Hintergrund aus dichtem Wald, der allein vom bleichen Mondlicht erhellt wurde.
    Sie zwang sich, Ruhe zu bewahren, und versuchte zu sehen, wie lang der Zug war, aber sie konnte das Zugende nicht erkennen, ohne sich umzuschauen.
    Sie gelangten zu der Überführung, während der Zug weiterrollte und ein Waggon nach dem anderen schwarze Schatten auf den Rangierbahnhof warf.
    Dann verschwand auch der letzte Waggon, das Ende eines Schwanzes, auf dem Weg in die glühend heißen Eingeweide des Hochofens.
    Annika musste schlucken, ihre Hände zitterten.
    Nun erreichten sie den Transformatorkasten, in dem Göran Nilsson seinen Seesack verstaut hatte. Annika warf einen Blick auf ihn, er war verriegelt.
    »Runter und dann nach links«, sagte Hans Blomberg und stieß sie in die Richtung der Öffnung im Gehölz.
    Sie rutschte aus und wäre beinahe die Böschung hinuntergefallen, bekam die Zweige eines Strauchs zu fassen und schaffte es gerade noch, auf den Beinen zu bleiben.
    »Nur die Ruhe«, sagte sie lahm und ging zu dem

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