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Der Rote Wolf

Der Rote Wolf

Titel: Der Rote Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Lüftungsklappe auf dem Hinterhof drang als leises Säuseln durch den Fensterspalt.
    Das Ministerium, mal wieder. Das neue Projekt hatte sich als ein richtiger Glückstreffer erwiesen. Nach dem Bericht über die Frage der Regionen, der ein Riesenerfolg gewesen war, hatte er bei der Wahl seines nächsten Auftrags für den Gemeindetag im Großen und Ganzen freie Hand gehabt.
    Annika war es gewesen, die ihm geraten hatte, sich mit dem Thema Sicherheit von Politikern zu beschäftigen. Er hätte andere Bereiche übernehmen können, die vordergründig prestigeträchtiger waren, aber sie hatte die Dinge mit mehr Weitsicht betrachtet.
    »Du willst doch weiterkommen«, hatte sie in der für sie typischen unsentimentalen Art erklärt. »Warum im Gemeindetag mit irgendwelchen Prestigeprojekten herumkaspern, wenn du die Chance hast, dir eine Menge guter Kontakte außerhalb des Hauses zu verschaffen?«
    Also hatte er sich der Bedeutung der offenen Gesellschaft und der Bürgernähe von Politikern und der damit einhergehenden Gefahrensituation gewidmet.
    Ein kalter Lufthauch strich um seine Füße, und er stand auf und schloss das Fenster.
    Ausgangspunkt des Projekts war eine Umfrage, die ergeben hatte, dass jeder vierte Bürgermeister und fast jeder fünfte Richter bei der Ausübung seines Mandats schon einmal Gewalt oder der Androhung von Gewalt ausgesetzt war.
    Die Drohungen kamen vor allem von Einzelpersonen, doch auch Drohungen rassistischer und fremdenfeindlicher Gruppen waren relativ häufig.
    Die Umfrageergebnisse führten zur Bildung einer Arbeitsgruppe, die Drohungen und Gewalt gegen Politiker untersuchen sollte. Außer dem Schwedischen Gemeindetag waren darin auch der Landtagsverband, der staatliche Rat zur Verbrechensprophylaxe, das Justizministerium, die Polizeiführung, die Generalstaatsanwaltschaft, die Sicherheitspolizei und einige Vertrauensleute aus den Städten und Provinziallandtagen vertreten.
    Er ließ sich schwer auf den Stuhl fallen und überlegte, ob er weiter in seiner Zeitung lesen sollte, ließ sie dann aber liegen.
    Das Projekt genoss innerhalb des Gemeindetags kein großes Ansehen, und mehr als eine Augenbraue hatte sich gehoben, als er sich ausgerechnet dafür entschied.
    Die Aufgabe der Arbeitsgruppe bestand darin, die offene und demokratische Gesellschaft zu fördern und Vorschläge für konkrete Verhaltensregeln zu erarbeiten, an die sich die gewählten Volksvertreter in heiklen Situationen halten konnten. Unter anderem sollten sie ein Handbuch zusammenstellen und in Kooperation mit der Integrationsbehörde und dem Komitee für lebendige Geschichte regionale Konferenzen abhalten.
    Er und Sophia vom Landtagsverband waren die Projektkoordinatoren, und obwohl das Ganze erst seit zwei Monaten lief, wusste er doch bereits, dass er die richtige Wahl getroffen hatte. Die Unterstützung, die sie bis dato vom Justizministerium bekommen hatten, war einfach fantastisch.
    Sein Traum, noch vor seinem vierzigsten Geburtstag für die Regierung zu arbeiten, schien in greifbare Nähe gerückt zu sein.
    Plötzlich begann das Handy in seiner Hand von neuem zu vibrieren. Er meldete sich, noch ehe es klingelte.
    »Du müsstest hier sein«, sagte Annika. »Ich fahre gerade an der Westlichen Wache des Stahlwerks in Svartöstaden bei Lulea vorbei, es ist so unglaublich schön. Ich werd mal das Fenster herunterlassen, so, jetzt, hörst du, wie das rauscht?«
    Thomas lehnte sich zurück, schloss die Augen und hörte kein anderes Rauschen als das einer schlechten Handyverbindung.
    »Papa«, sagte Kalle. »Der Computer ist abgestürzt.«
    Sein Sohn stand mit großen Augen und leicht erschreckt im Türrahmen.
    »Warte mal, Annika«, sagte er, nahm das Telefon vom Ohr und wandte sich dem Jungen zu. »Ich hab doch gesagt, dass ihr allein klarkommen müsst. Drück den Knopf zwanzig Sekunden und warte, bis die Lampe ausgeht. Dann zählst du bis zehn und startest ihn wieder.«
    Der Junge lief hinaus.
    »Das Stahlwerk?«, sagte er. »Solltest du nicht auf dem Fliegerhorst sein?«
    »Doch, da bin ich auch gewesen, aber ich habe hier einen Jungen getroffen, der …«
    »Aber du schaffst es doch rechtzeitig?« »Wohin?«
    Ihm fehlten die Worte, aber als sie nun schwiegen, glaubte er tatsächlich, im Hintergrund ein Rauschen hören zu können, oder vielmehr eine Art Grummeln.
    Die Entfernung zwischen ihnen schien dadurch noch größer.
    »Ich vermisse dich«, sagte er leise. »Was sagst du?«, rief sie in dieses Grummeln. Er hielt kurz

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