Der Rote Wolf
Person gesprochen«, sagte sie deshalb, »die behauptet, gesehen zu haben, wie Benny Ekland auf der Skeppargatan in Svartöstaden, zwischen dem Mefos und der Sandgatan, überfahren wurde. Ein goldfarbener Volvo V70 parkte mit der Wagenfront zur Straße in der Einfahrt zum Fußballplatz, ein Mann saß am Steuer. Als Benny Ekland vorbeigetorkelt war, wurde der Motor angelassen, der Wagen bog auf die Straße und fuhr Ekland mit Vollgas hinterher. Mein Zeuge behauptet, Ekland habe versucht zu entkommen und sei von der einen Straßenseite zur anderen gelaufen und der Wagen sei ihm gefolgt. Zum Zusammenprall kam es dann ungefähr in der Mitte der Fahrbahn.«
»Oh, mein Gott«, murmelte der Kommissar. »Es kommt noch schlimmer«, sagte Annika. »Ekland schlug ei Mal gegen das Auto, flog durch die Luft und landete auf der Fahrbahn. Der Wagen bremste, setzte zurück, überfuhr den Körper und dann den Kopf. Nachdem er den Schädel überrollt hatte, hielt der Fahrer, wie gesagt, ein Mann, stieg aus dem Auto und schleppte die Leiche den Wall zum Fußballplatz hinauf. Dort hat er den Körper irgendwie abgeklopft, fuhr dann zur … wie heißt die … zur Sjöfartsgatan, die zum Eisenerzhafen hinunterführt. War der Wagen beschädigt?«
»An Front und Windschutzscheibe«, antwortete Kommissar Suup, ohne zu zögern.
»Ihnen muss klar gewesen sein, dass es kein gewöhnlicher Unfall war – der Schädel war zertrümmert, das Rückgrat gebrochen, die inneren Organe zermatscht.«
»Völlig korrekt, der Obduktionsbericht kam heute Nachmittag. Es gibt also jemanden, der das Ganze gesehen hat?« »Der Zeuge hat darum gebeten, anonym zu bleiben.« »Und Sie können die fragliche Person nicht dahingehend beeinflussen, dass sie Kontakt zu uns aufnimmt?«
»Ich habe bereits getan, was ich konnte, werde es aber gern noch einmal versuchen. Was sagen Sie dazu?«
»Sollten die Angaben des Zeugen zutreffen, was durchaus nahe liegt, wissen wir, dass wir einen vorsätzlichen Mord am Hals haben.« Annika tippte seine Worte direkt in den Computer. »Können Sie sich aus dem Stegreif an etwas erinnern, das Benny Ekland kürzlich veröffentlicht hat und das der Auslöser für eine solche Tat gewesen sein könnte?«
»Ekland hat nie davor zurückgeschreckt, kontroverse oder unangenehme Themen aufzugreifen, völlig undenkbar ist es also nicht. Aber es wäre ein grober Verstoß gegen die Dienstordnung, wenn ich zum jetzigen Zeitpunkt darüber spekulieren würde. Falls die Angaben des Zeugen zutreffen, und ich sage bewusst falls, müssen wir natürlich alle denkbaren Motive in Betracht ziehen.«
»Leiten Sie die Ermittlungen in diesem Fall?«
»Nein, ich bin mittlerweile nur noch für die Presse zuständig, aber ich bin Ihr Ansprechpartner. Leiter der Voruntersuchung wurde meines Wissens Frau Andersson oben bei der Staatsanwaltschaft, aber die hat den ganzen Tag im Gerichtssaal gesessen, ich glaube also nicht, dass sie hiervon schon etwas weiß.«
Nachdem sie aufgelegt hatte, suchte sich Annika den Weg in die Redaktion. In einem engen Raum voll langer Tische und in einer Luft, die von statischer Elektrizität aufgeladen war, fand sie eine Gruppe erlahmter Textredakteure mit käsigen Gesichtern und unsteten Augen.
»Wir müssen uns unterhalten«, sagte sie zum Redakteur des Spätdienstes.
Überraschend geschmeidig erhob sich der große Mann, ging vor ihr durch die Redaktionsräume und öffnete die Tür zu einem Verschlag, der offenbar als Raucherzimmer genutzt wurde. Annika blieb im Türrahmen stehen, trotz eines rauschenden Ventilators in einer Zimmerecke war der Gestank schier unerträglich. Der Mann steckte sich eine Zigarette an und hustete heftig.
»Ich habe vor neun Jahren aufgehört«, sagte er, »gestern Morgen aber wieder angefangen. Schließen Sie die Tür.«
Sie machte einen Schritt in den Raum hinein, schielte zur Decke hinauf und ließ die Tür einen Spaltbreit offen stehen. Die Wände kamen auf sie zu, das Atmen fiel ihr schwer.
»Worum geht's?«, fragte Pekkari und blies eine traurige Rauchwolke Richtung Lüftung.
»Benny wurde ermordet«, sagte Annika, und ihr Herz galoppierte. »Ich habe einen Zeugen, der gesehen hat, wie er starb. Die Polizei bestätigt, dass die Geschichte des Zeugen mit der Beweisführung übereinstimmt, zumindest bislang. Könnten wir vielleicht rausgehen?«
Der Redakteur sah sie an, als hätte er ein Gespenst gesehen, seine Zigarette schien auf halbem Weg zum Mund in seiner Hand festgefroren zu
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