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Der Rote Wolf

Der Rote Wolf

Titel: Der Rote Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Suchender, ich vermisste etwas in meinem Leben und fand den Weg zur
Sünde,
und ich fand die Frauen und den Alkohol und stahl einem Freund die Uhr, doch dann traf ich beim Wehrdienst einen Glaubensbruder, und Jesus Christus trat mit dem Licht in mein Leben, denn mein Bruder säte ein Samenkorn in meinem Herzen.
    Er lächelte in seinem Abteil, lauschte den emphatischen Erzählungen, die schmerzerfüllt und voller Angst, jubilierend und dankbar zugleich waren. Aber sie gerieten niemals außer sich, das musste er sagen. Es gab niemals Schreie, nie erhobene Stimmen. Nirgendwo Ekstase.
    Er erinnerte sich, wie er in seiner Jugendzeit des Lebens überdrüssig gewesen war.
    Oft hatte er die Stimmen versinken und zusammen mit Gedanken, Hoffnungen und Unruhe aus der Zeltöffnung treiben lassen.
    Die Stadt aus Zelten und Wagen auf der Wiese vor dem großen Gebetszelt lockte ihn, sie war ein Ozean aus Möglichkeiten, die sich zwischen Pferdedroschken und Volvos verbargen. Dann seine verstohlenen Blicke auf unbekannte Mädchen in der Bankreihe vor ihm, die Kopftücher und lange Röcke trugen, das Wissen um ihre Wärme und das Glänzen ihrer verhüllten Haare.
    Er wusste, dass seine Gedanken und sein hartes Glied sündig waren.
    Mit dem Geruch von Pferdeäpfeln in der Nase wurde er in den Schlaf gewiegt.
    Annika ging mit rauchendem Atem und knarrenden Schritten durch den Kronobergspark. Es war kalt geworden, ein Hochdruckgebiet breitete sich aus, das Luft vom Eismeer verhieß. Der Asphalt war glatt, die Laubbäume waren mit dicken Schichten aus Eiskristallen bedeckt. Die Rasenflächen, gestern noch grün und feucht, waren jetzt hart gefroren und in Silber getaucht. Hier unten zwischen den Bäumen erreichte der Wind sie nicht, sodass die Abgase wie graue Schleier über den Wegen hingen.
    Heller würde es an diesem Tag wohl nicht mehr werden. Das Licht war matt und schattenlos, sie blinzelte in den Himmel hinauf. Er schien aus pastellfarbenem Porzellan zu sein, mit blauen Nuancen, die in graue, weiße und rosafarbene diffuse Wolkensträhnen übergingen, die der Nordwind vor sich hertrieb.
    Hinter dem Hundeklo nahm sie eine Abkürzung, die Grashalme knisterten, als sie unter ihren Füßen zermalmt wurden. Sie erreichte den jüdischen Friedhof, von der Rückseite kommend, genau an der Stelle, an der man damals Josefine gefunden hatte. Sie blieb an dem schwarzen gusseisernen Zaun stehen, strich mit dem Handschuh über Sterne und Bögen, sodass der Raureif wie körniger Zucker auf ihre Schuhe herabfiel.
    Der Friedhof war vor zwei Jahren renoviert worden. Umgestürzte und bröckelnde Sandsteine waren wieder auf ihre Sockel gehoben worden, die wildwüchsigen Sträucher gestutzt, die Bäume beschnitten. Gleichzeitig hatte sich jedoch auch die Magie in Luft aufgelöst. Das Gefühl, an einem Ort außerhalb der Zeit zu sein, das Annika hier immer gehabt hatte, war dahin. Die Geräusche der Stadt rückten nun auf eine Art näher, wie es vorher nicht möglich gewesen war, die Geister, denen dieser Ort gehört hatte, waren fort. Nur der von Josefine war noch da.
    Sie ging in die Knie und schaute zwischen den Eisenstäben des Zauns hindurch, wie sie es damals, vor vielen Sommern, getan hatte, in jenem heißen Sommer, als es so viele Wespen gab wie noch nie und der Wahlkampf immer weiter ging.
    Damals hatte dort Josefine gelegen, den Mund zu einem lautlosen Schrei geöffnet, mit matten, gebrochenen Augen, das junge Mädchen mit all seinen toten Träumen. Ein gefrorener Zweig raschelte, eine Sirene hallte gegen die Fassaden der Hantverkargatan.
    Am Ende hat er doch noch seine gerechte Strafe bekommen, dachte Annika.
    Zwar nicht für das, was er dir angetan hat, aber wenigstens kam er nicht ungestraft davon.
    Und Karina Björnlund bekam zufällig die nötige Munition für einen Ministerposten.
    Sie streckte die Beine, sah auf die Uhr und verließ Josefine, nicht ohne noch einmal über den Zaun zu streicheln. Dann eilte sie über den Fridhemsplan davon.
    Im Rälambshofpark blies ihr der Wind ins Gesicht, und ihre Wangen waren rot gefleckt, als sie das Foyer der Zeitung betrat.
    Sie erreichte ihr Aquarium, ohne zu stolpern, und warf Mantel, Schal und Mütze in einer Ecke auf einen Haufen. Während der Computer hochfuhr, dachte sie an Ragnwald, ließ die Vergangenheit hinter sich und bezwang ihre Rastlosigkeit, indem sie sich auf die Gegenwart konzentrierte.
    Was besagt das Wort? Wer bist du?
    Sie gab den Namen bei Google ein und bekam eine

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