Der Rote Wolf
wünschen.«
Mit diesen Worten verschwand er lautlos über die Treppe mit dem dicken Teppich.
»Wer hätte das ahnen können?«, lächelte Sophia und breitete die Hände aus.
Thomas konnte sich ein glucksendes Lachen nicht verkneifen. Die Stimmung im Keller der Kneipe war orientalisch surrealistisch, Wände und Fußboden waren mit mehreren Schichten dicker, staubiger Teppiche bedeckt, in den Ecken standen glänzende Bronzeteller, Öllampen brannten auf niedrigen Steintischen.
Sie waren allein und saßen sich an einem großen schwarzen Eichen tisch mit schweren Lederstühlen gegenüber. Das Deckengewölbe bestand aus unverputzten Ziegelsteinen, die aus dem siebzehnten Jahrhundert zu stammen schienen.
»Die Häuser in dieser Stadt bergen offenbar viele wohl gehütete Geheimnisse«, sagte Thomas und schämte sich nicht, dass er etwas lallte.
»Ihr wohnt auf Kungsholmen?«, sagte seine Kollegin und sah ihn über den Rand ihres Cocktailglases hinweg an. Er nickte und nippte an seinem Drink.
»Kachelöfen«, erwiderte er. »Stuck, knarrende Parkettböden, die ganze Palette.«
»Eine Eigentumswohnung?«
»Mittlerweile ja. Wir haben erst zur Miete gewohnt und sie dann vor einem knappen Jahr gekauft. Und du?«
Sophia zündete sich eine Mentholzigarette an, inhalierte das Nikotin und blies den Rauch in kleinen Ringen wieder aus.
»Östermalm«, antwortete sie. »Meine Familie hat dort ein Haus.«
Er zog beeindruckt die Augenbrauen hoch, sie senkte den Blick und lächelte.
»Es ist schon seit Generationen im Besitz der Familie«, sagte sie. »Ich selbst habe nur eine kleine Dreizimmerwohnung, es gibt andere in unserer Verwandtschaft, die die großen repräsentativen Wohnungen besser gebrauchen können als ich.«
Er nahm sich ein paar Nüsse aus einer Schale, die seit dem Aperitif auf dem Tisch stand.
»Du wohnst allein?«
»Zusammen mit Socks, meiner Katze. Getauft nach der von Familie Clinton, wenn du dich erinnerst …«
Er lachte herzlich, ja, genau, Socks im Weißen Haus.
»Und du hast Familie?«, fragte sie und drückte ihre Zigarette aus.
Thomas schob seinen Stuhl ein wenig zurück. »Stimmt«, sagte er zufrieden und legte seine Hände gefaltet auf den Bauch. »Frau und zwei Kinder. Allerdings keine Katze …«
Sie lachten.
»Arbeitet deine Frau?«, fragte Sophia und nippte an ihrem Drink.
Ihm entfuhr ein tiefer Seufzer. »Sie arbeitet viel zu viel.«
Sophia lächelte und zündete sich eine weitere Mentholzigarette an. Das Schweigen, das sich zwischen ihnen ausbreitete, war von Wärme erfüllt. Hier in ihrem orientalischen Kellerraum wohnten Wärme, Frieden und Sommer.
»Letzten Winter war sie eine Zeit lang zu Hause«, sagte er, jetzt sehr viel leiser.
»Das war unsere beste Zeit zusammen. Es tat den Kindern gut, es tat mir gut.
Sogar der Wohnung tat es gut, wir haben die Küche renoviert, und manchmal war sogar alles richtig sauber.«
Sophia lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und verschränkte die Arme. Er bemerkte ihren aufmerksamen Blick und erkannte die Wirkung seiner Worte.
»Ich meine«, sagte er und trank einen Schluck Gin Tonic, »ich will damit nicht sagen, dass Frauen Hausfrauen sein und am Herd stehen und Kinder gebären sollen, ganz und gar nicht, ich finde natürlich auch, dass Frauen die gleichen Chancen zur Ausbildung und zum beruflichen Fortkommen haben sollten wie Männer, aber es gibt doch jede Menge angenehmer Jobs für eine Journalistin.
Ich begreife einfach nicht, warum sie so darauf beharrt, in einem Schundblatt über Gewalt und Tod zu schreiben.«
Auf einmal hörte er die Stimme seiner Mutter in seinem Kopf, hörte Worte, die sie zwar niemals ausgesprochen hatte, aber, wie er sehr wohl wusste, dachte:
So ist sie. Sie ist eine Schundperson, die Unglück bringt. Du bist zu gut für sie, Thomas, du hättest eine gute Frau haben können.
»Sie ist eine gute Frau«, sagte er laut. »Intelligent, aber nicht besonders intellektuell.«
Sophia legte den Kopf schief.
»Das eine muss ja nicht unbedingt etwas mit dem anderen zu tun haben«, sagte sie. »Man kann begabt sein, ohne deshalb belesen sein zu müssen.«
»Exakt«, erwiderte Thomas und nahm einen großen Schluck von seinem Drink.
»Das trifft es genau. Annika ist unglaublich clever. Das Problem ist nur, dass sie so verdammt ungehobelt ist. Manchmal benimmt sie sich wie ein Bulldozer.«
Sophia schlug die Hände vor den Mund und kicherte, er sah sie erstaunt an, lachte dann aber mit.
»Aber so ist es!«, sagte er
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