Der Rubin der Oger
des Tannenverlieses erreichten.
»Hauptmann Barrasch?«
Barrasch antwortete nicht. Er starrte zwischen den Bäumen hindurch, und sein Blick verriet, dass er nicht zu antworten beabsichtigte. Fast regungslos, nur dem leichten Trab des Pferdes angepasst, trottete er dahin.
»Hauptmann Barrasch.«
Der Ton des jungen Soldaten wurde eindringlicher.
Barrasch hatte gehofft, Finnegan würde es irgendwann leid werden, ihn mit seinen Fragen zu quälen, doch der junge Soldat erwies sich so hartnäckig wie ein Zwerg mit seiner Spitzhacke in einer Goldmine. Er mochte den Jungen, aber er wusste nicht, ob dieser den Sinn ihrer Reise wirklich verstand.
»Hauptmann Barrasch!«
»Barrasch, Finnegan, einfach nur Barrasch«, brummte er. »Die Zeit, in der die Soldaten und Stadtwachen meinem Befehl unterstellt waren, ist vorbei. Jetzt bin ich nur noch der alternde Ratgeber des Hochadels, und das auch nur durch die Fürsprache von Lord Felton.«
Dem jungen Soldaten schien diese Darstellung nicht zu schmecken, zumindest ließ er sich zwei Pferdelängen zurückfallen und setzte eine beleidigte Miene auf. Nach einigen Augenblicken gab er seinem Pferd jedoch einen Klaps und rückte wieder zu Barrasch auf.
»Ihr irrt Euch«, sagte Finnegan bestimmt und hoffte inständig, damit keine unsichtbare Grenze zu überschreiten. »Ihr seid ein wahrer Held. Eure Kampftaktiken werden noch heute in der Grundausbildung gelehrt. Es gibt keinen Rekruten, der Euren Namen nicht kennt. Ihr seid das Vorbild eines jeden Soldaten.«
Barrasch fühlte sich zwar geschmeichelt, wusste aber auch genau, was er von dieser Lobpreisung zu halten hatte. Junge Soldaten waren schnell mit ein paar Geschichten zu beeindrucken.
»Ich danke Euch für diese Aufmunterung, Soldat Finnegan, aber König Leondres hat vor hundertfünfzig Jahren die Steuergesetze eingeführt, die heute noch gelten. Jedermann kennt ihn. Damals war er ein großer König, heute ist er nur noch ein toter Mann.«
»Ihr seid nicht tot«, erwiderte Finnegan mit unwiderlegbarer Logik.
Barrasch setzte ein breites Grinsen auf.
»Wenn Ihr weiter so herumschreit, wird es nicht mehr lange dauern.«
Finnegan senkte den Blick und machte das, was Soldaten meistens taten: gehorchen.
Der Wald wurde dichter, und die beiden Männer waren jetzt gezwungen, hintereinander zu reiten; ein Umstand, den Barrasch sehr begrüßte.
Sie folgten keiner richtigen Spur, der Veteran ließ sich mehr von seinem Instinkt leiten, der sie bis hierher gebracht hatte. Flüchtige bewegten sich nach eigenen Regeln. Emotionen spielten dabei eine große Rolle.
Barrasch und Finnegan erreichten eine Lichtung innerhalb des Tannenverlieses. Am anderen Ende kräuselte sich das dünne Rauchfähnchen eines fast erloschen Lagerfeuers.
Barrasch ließ anhalten und verschaffte sich von seinem Pferd aus einen Überblick. Die Lichtung schien verlassen, aber der Schein konnte auch trügen, das wusste er aus einigen schmerzhaften Erfahrungen. Er gab Zeichen, weiter am Rand zu bleiben und sich vorsichtig der Lagerstätte zu nähern. Die Soldaten zogen ihre Schwerter blank und lösten die Schilde von den Seiten ihrer Pferde. Auf halbem Wege entdeckte Barrasch drei verkohlte Trollkörper. Seltsam verkrümmt lagen sie um das erloschene Feuer herum.
Wortlos schritt Barrasch zwischen den Leichen umher.
»Sie haben sie verbrannt, damit ihre Selbstheilung nicht einsetzen konnte«, folgerte Finnegan bei näherer Untersuchung eines Trolls.
Barrasch untersuchte die verbliebene Glut.
»Nicht ganz«, erklärte er, »der dort drüben sieht aus, als wenn er von innen heraus verbrannt wäre. Außerdem kenne ich niemanden, der drei Trolle tötet, sie in Brand steckt und dann bei dem Gestank in aller Seelenruhe sein Nachtlager aufschlägt.«
»Woher wollt Ihr wissen, dass es so abgelaufen ist?«
Barrasch griff in die Asche des Lagerfeuers und schnappte sich ein Stück verkohltes Holz.
»Hier, fang!«
Finnegan fing das Scheit mit einer Hand auf, ließ es aber sofort wieder zu Boden fallen.
»Autsch, das glüht ja noch!«, schrie er. »Was soll das?«
»Schmerz ist der beste Lehrmeister«, sagte Barrasch und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Sie suchten die Lichtung weiter ab, konnten aber keine Hinweise entdecken, nur eine Spur, die tiefer ins Innere des Tannenverlieses führte.
»Hauptmann, warum hat man uns hierhergeschickt?«, fragte Finnegan, als sie wieder auf ihren Pferden saßen.
Barrasch verwunderte die Frage nicht, er hatte sie schon
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