Der Rubin der Oger
beengte Mogda, und er musste zum Schlafen eine sitzende Position einnehmen. Doch das war immer noch besser, als die Nacht unter freiem Himmel zu verbringen und auf die wohlige Wärme eines Feuers zu verzichten.
Viele Gedanken gingen in den Köpfen der Wanderer umher, und jeder sorgte sich um etwas anderes.
»Glaubst du wirklich, die Zwerge sind schuld am Untergang der Wüste?«, fragte Cindiel.
Mogda hob den Kopf und sah ihr ausdruckslos in die Augen.
»Nach der großen Schlacht am Drachenhorst waren einige unseres Volkes und ich bei König Braktobil. Wir baten darum, die Hallen der Trolle zu versiegeln. Wir boten sogar unsere Hilfe an, doch Braktobil sagte, die Hallen seien ein ehrwürdiges Bauwerk, und die toten Körper der Zwerge, Oger und Trolle verdienten ein Grabmal wie dieses. Er schwor beim Leben seines Volkes, diese Grabstätte als heiligen Platz zu ehren und zu schützen. Trotz unserer Bedenken und der Gefahr für unsere neue Heimat ließ er sich nicht erweichen. Ich habe ihm geglaubt. Er hat mir sein Wort für meines gegeben.«
Mogda verstummte für einen Augenblick, in seine Erinnerungen versunken.
»Wenn ich ihm jetzt gegenübertrete, um den Blutzoll einzufordern, gibt es nur eine Möglichkeit für ihn, meinem Zorn zu entgehen.«
»Und die wäre?«, fragte Cindiel hoffnungsvoll nach.
»Er und seine Männer sind schon tot«, erklärte Mogda mit furchtbarer Ruhe.
»Somit gibt es wenig Hoffnung auf Aussöhnung«, wandte Barrasch lakonisch ein.
»Keine«, gab Mogda mit funkelnden Augen zurück. »Ihr Menschen schreibt euch stets Verständnis und Diplomatie auf euer Banner, doch wenn euch selbst ein Unrecht trifft, sendet ihr ganze Armeen in den Tod, um euch zu rächen. Jetzt werdet ihr mit ansehen können, wie wir Oger mit solchen Problemen umgehen. Und ich verspreche euch, jedes Ogerleben wird zehnfach gerächt.«
Cindiel erkannte Mogda kaum wieder. In früheren Zeiten hatte man ihm und seinem Volk viel Unrecht angetan, doch nach der Schlacht in der roten Wüste hatte sich ihr Leben stark verändert und war um ein Vielfaches besser geworden. Warum wollte er dies alles aufs Spiel setzten, ohne genau zu wissen, was passiert war? Aber in seinen Augen konnte sie lesen, dass er ihr diese Antwort heute Nacht schuldig bleiben würde.
Am nächsten Morgen hatte sich Mogdas Laune kaum gebessert. Wurde er angesprochen, antwortete er mit Knurr- und Brummlauten. Immer häufiger konnte Cindiel beobachten, wie seine Hand den Knauf des Runenschwertes umklammerte und sich dann für einen Moment verkrampfte.
Die drei Menschen hatten Schwierigkeiten, Mogda auf den unwegsamen Pfaden zu folgen. Immer größer wurde der Abstand zwischen ihnen, und der Oger sah sich immer seltener nach seinen Begleitern um. Mit jedem Schritt, den er den Zwergen näher kam, steigerte sich seine Ausdauer. Bald hatten ihn die Menschen aus den Augen verloren und folgten nur noch den spärlichen Spuren, die Barrasch glücklicherweise zu deuten wusste.
Am späten Nachmittag, als sie nahe einer tiefen Spalte an drei hintereinander eingeschlagenen Kletterhaken eine Felswand entlang hangelten, sahen sie Mogda auf einem Vorsprung stehen und in die Tiefe starren. Er schien sie nicht zu bemerken, sondern konzentrierte sich auf das, was unter ihm lag. Vorsichtig, ohne ihn erschrecken zu wollen, näherten sie sich ihm.
»Dort unten ist jemand«, erklärte er.
Finnegan ging auf die andere Seite des Vorsprunges, wahrte somit gebührenden Abstand zu Mogda, und blickte hinunter.
»Vielleicht ist es jemand aus deinem Volk, der sich vor dem Wasser in Sicherheit gebracht hat«, sagte er in der Hoffnung, Mogdas Laune etwas zu bessern und sich selbst in der Gegenwart des Ogers sicherer zu fühlen.
»Wir werden es bald wissen, denn sie kommen hier herauf«, sagte Mogda ohne den Blick zu wenden. »Es wird besser sein, ihr sucht euch ein Versteck. Denn egal, wer sich die Mühe macht, hier heraufzuklettern, er wird schlechte Laune haben, wenn er ankommt.«
Finnegan hoffte inständig, es handle sich bei den Neuankömmlingen um irgendwelche Menschen, die Zuflucht suchten. Das, oder wenigstens Zwerge. Er entfernte sich schnell vom Rand und suchte verzweifelt nach einem Platz, wo er, Barrasch und Cindiel in Sicherheit gehen konnten. Schließlich fanden sie auf der anderen Seite etwas weiter unten einen Vorsprung, der zwar Sichtschutz bot, jedoch schlecht zu verteidigen war. Sie mussten darauf hoffen, dass es nichts zu verteidigen gab oder dass Mogda sich
Weitere Kostenlose Bücher