Der Rubin im Rauch
gebadet.
„Erzähl mir alles", sagte Frederick.
Er hatte nicht gesprochen, seit sie dort weggegangen waren; er
schien zu spüren, wann sie Stille brauchte. Ich kann ihm vertrauen,
dachte sie. So erzählte sie ihm alles.
„Frederick, das Schlimmste war...", ihre Stimme erstarb, und er
sagte: „Alles in Ordnung. Du bist jetzt in Sicherheit. Aber was war das
Schlimmste?"
„Der Mann, der gesprochen hat -- ich habe seine Stimme so oft in
meinen Träumen gehört. Aber diesmal habe ich sie erkannt. Sie gehört
Major Marchbanks. Und der Mann, der auf mich hinabschaute --
Frederick -- das war mein Vater! Was hat es nur alles zu bedeuten?
Was nur?"
GESELLSCHAFT FÜR STEREOGRAPHISCHE
AUFNAHMEN
Als sie von Limehouse zurückkehrten, ging Sally sofort ins Bett
und schlief lange Zeit traumlos.
Sie wachte kurz nach Tagesanbruch auf. Der Himmel war klar und
blau; die Schrecken des Opiums und des Mordes schienen mit der
Nacht verschwunden zu sein, und sie fühlte sich fröhlich und
vertrauensvoll. Nachdem sie sich rasch angezogen und das Feuer in
der Küche entfacht hatte, beschloß sie, sich einmal das übrige Haus
genau anzusehen. Rosa hatte dies am Morgen des vergangenen Tages
selbst vorgeschlagen: nach ihrer Meinung verschwendeten sie Platz.
Vielleicht könnte man einen Untermieter unterbringen.
Sally glaubte, daß sie recht hatte. Das Haus war viel geräumiger, als
es von der Straße her den Anschein hatte. Es gab drei Stockwerke,
dazu einen Speicher und einen Keller und einen großen Hof hinter
dem Haus. Zwei der Räume waren voll mit photographischem
Zubehör, überdies war da noch eine Dunkelkammer und die
Werkstatt. Der Raum neben dem Laden im Erdgeschoß war als Studio
für Porträtaufnahmen eingerichtet. Einer der Räume im oberen
Stockwerk war mit unzähligen Gegenständen vollgestopft, so daß
Sally glaubte, in ein Museum gestolpert zu sein; aber es gab zwei
leere Speicherräume und drei andere, aus denen man recht behagliche
Schlafzimmer machen könnte, sobald sie einmal richtig möbliert
wären. Das Ergebnis dieser Entdeckungsreise wurde den
Mitbewohnern beim Frühstück enthüllt. Sie hatte es zubereitet;
Haferbrei war's diesmal und ausgesprochen gut, fand sie.
„Frederick, bist du heute morgen sehr beschäftigt?" fragte sie.
„Ziemlich. Aber ich kann was verschieben."
„Rosa, mußt du zur Probe?"
„Erst um eins. Warum?"
„Und Trembler, wie steht's mit Ihnen?"
„Weiß nich, Miss. Hab was zum Entwickeln."
„Also, es wird nicht lang dauern. Ich möchte euch nur sagen, wie
man ein bißchen Geld verdienen kann."
„Also, wenn's darum geht, hab ich massenhaft Zeit. Wie willst du
das anstellen?" fragte Rosa.
„Es ist mir kürzlich in Oxford eingefallen. Ich hab's Frederick
schon im Zug gesagt."
„Mmm", sagte er. „Stereoskope."
„Nicht die Stereoskope selber, sondern die Bilder dazu. Die Leute
verlangen immer danach. Ich hab mir das Haus heut morgen mal
angeschaut, und da ist mir plötzlich eingefallen, was wir tun könnten.
In dem einen Raum sind lauter Speere und Trommeln und
Götzenbilder und all so was - "
„Onkel Websters wertvolle Sammlung", sagte Rosa. „Er ist seit
Jahren Sammler."
„Das wär mal das erste", fuhr Sally fort. „Und dann zu dir, Rosa.
Könnte man nicht eine Geschichte in Bildern erzählen? Mit Menschen
-- Schauspielern -- in dramatischen Situationen, wie ein Schauspiel --
mit Bühnenbild und so?"
Eine Weile herrschte Stille.
„Glaubst du, daß sich das verkaufen ließe?" fragte Rosa.
„Die gingen weg wie warme Semmeln", bemerkte Trembler. „Gebt
mir tausend, die verkauf ich euch an einem Tag!"
„Werbung machen", sagte Sally. „Wir müßten in allen Zeitungen
eine Anzeige einrücken. Und dann uns einen spritzigen Namen dafür
überlegen. Da könnte ich mich drum kümmern -- das war einfach.
Aber wer setzt die Bilder in Szene?"
„Das ist das Wenigste", meinte Rosa. „Ist 'ne tolle Idee! Man
könnte Szenen aus bekannten Schauspielen nehmen -- "
„Und sie vor dem Theater verkaufen!"
„Lieder", meinte Trembler. „Bilder zu all den neuen Liedern in den
Varietes."
„Mit Anzeigen auf der Rückseite", fügte Sally hinzu, „so daß wir
für jedes Verkaufte extra bezahlt würden."
„Sally, das ist 'ne prima Idee!" sagte Rosa. „Und mit all dem Zeug
da..."
„Und draußen ist Platz genug, um ein richtiges Studio aufzubauen.
Mit Platz fürs Bühnenbild und alles, was man so braucht."
Alle schauten Frederick an, der sich noch gar nicht
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