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Der Rubin im Rauch

Der Rubin im Rauch

Titel: Der Rubin im Rauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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ganze
    Dreckarbeit von dir. Da! Das is 'n gutes."
Sie waren in der Küche in der Burton Street, und er schaute sich die
frisch gedruckten stereographischen Aufnahmen an.
„Welches hast du grade?" fragte Sally, die wissen wollte, welches
ihm am besten gefiel.
„Die riesigen, verfluchten Käfer da. Da hat man was zum Lachen.
Ihr solltet mal 'n Mord machen. Sweeney Todd -- oder, 'The Red
Barn'."
„Machen wir auch", sagte Sally.
„Oder Sprungfeder-Jack, der fliegende Mensch."
„Wer?" fragte Frederick.
„Da", sagte Jim und gab ihm ein Exemplar der ,Boys of England'.
Frederick legte die Füße auf den Kohleneimer, lehnte sich bequem
zurück und fing an zu lesen.
    „Was ist eigentlich mit euerm Kerl da oben?" wollte Jim wissen.
„Wie geht's ihm?"
„Er hat noch kaum was gesagt", antwortete Sally.
    „Was hat er denn? Hat er Angst? Er is doch hier sicher."
„Vielleicht muß er sich nur vom Opium erholen. Oder vielleicht
sollten wir ihm etwas mehr geben", sagte Sally, die sich der Existenz
der kleinen braunen Kugel im Küchenschrank wohl bewußt war. Denn
ihr Alptraum war darin gefangen wie ein böser Geist in einer Lampe
und brauchte bloß die Benutzung eines Streichholzes für seine
Freilassung.
„Was der Mann im ,Warwick Hotel' wohl will?" fragte sie, um das
Thema zu wechseln.
„Der olle Selby is zur Zeit wahnsinnig nervös. Hab gedacht, der
kippt um, als er heut nachmittag den Brief gelesen hat. Er will sie
austricksen und das ham se kapiert, das is alles."
„Aber was können sie denn machen? Frederick, inwiefern kann
denn eine Schiffahrtsgesellschaft das Gesetz brechen? Welche
Verbrechen kann sie begehen?"
„Schmuggeln", sagte er. „Wie wär's damit?"
„Möglich", meinte Jim. „Und dann noch Betrug. Schiffe untergehen
lassen und dann die Versicherung beanspruchen."
„Nein", sagte Sally. „Die Firma hatte nur ein Schiff. Sie sind nicht
Schiffseigentümer, sondern Schiffsmakler. Und das könnte man doch
zu leicht aufdecken, oder?"
„Es passiert immer wieder", sagte Jim.
„Glaubst du, daß der Untergang Absicht war?" fragte Frederick.
„Klar."
„Warum denn?"
„Das kann ich euch sagen", kam die Stimme Matthew Bedwells.
Er stand blaß und zitternd an der Küchentür. Adelaide stöhnte, und
Frederick sprang auf und führte ihn zu einem Stuhl neben dem Feuer.
„Wo bin ich?" fragte er. „Wie lang war ich denn weg?"
„Sie sind in Bloomsbury", sagte Frederick. „Ihr Bruder hat Sie vor
drei Tagen hierhergebracht. Wir sind alle Freunde -- Sie sind in
Sicherheit."
Bedwell schaute Adelaide an, die schwieg.
„Adelaide ist weggerannt", sagte Sally. „Mr. Garland hat uns hier
aufgenommen, weil wir kein Zuhause haben. Außer Jim."
Der Blick des Seemanns wanderte vom einen zum ändern.
„Ihr habt über die ,Lavinia' gesprochen", begann er. „Oder?"
„Ja", bestätigte Sally. „Was können Sie uns darüber berichten?"
Er richtete den Blick auf sie. „Sind Sie Mr. Lockharts Tochter?"
Sie nickte.
„Er hat mich gebeten -- er hat mich gebeten, Ihnen eine Nachricht
zu überbringen. Es tut mir leid -- es tut mir leid, daß Sie... Was ich
sagen will, Miss, er ist tot. Ich nehme an, daß Sie das gewußt haben."
Sie nickte wieder und brachte kein Wort heraus.
Bedwell schaute Frederick an. „Ist mein Bruder da?"
„Er ist in Oxford. Er wartet darauf, daß es Ihnen besser geht. Er
kommt am Mittwoch hierher, aber vielleicht können Sie auch schon
vorher hinfahren."
Bedwell lehnte sich zurück und schloß die Augen. „Vielleicht",
sagte er.
„Haben Sie Hunger?" fragte Sally. „Sie haben seit Tagen nichts
mehr gegessen."
„Wenn Sie 'n Schlückchen Brandy im Haus hätten, war's 'ne feine
Sache. Aber essen kann ich im Augenblick nicht. Nicht mal deine
Suppe, Adelaide."
„War gar nicht meine", sagte das Kind heftig.
Frederick goß ein kleines Glas Brandy ein. „Auf Ihr Wohl", sagte
Bedwell und trank die Hälfte.
„Ja", setzte er wieder an, „die ,Lavinia'... Ich sag euch, was ich
über sie weiß."
„Und was ist mit der Botschaft?" fragte Sally.
„Das gehört dazu. Ich fang mit Singapur an, wo Ihr Vater an Bord
kam. Ich war zweiter Maat auf der ,Lavinia'", begann er. „Hat keinen
großen Liegeplatz gehabt, war ja nur ein schäbiger kleiner
Trampdampfer -- hat alle möglichen Waren zwischen Yokohama und
Kalkutta verschoben und war auch sonst unterwegs. Aber ich hab 'n
bißchen Pech gehabt, und die ,Lavinia' hat 'n zweiten Maat gebraucht,
und ich hab 'n Job gebraucht... ich bin zwei

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