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Der Rubin im Rauch

Der Rubin im Rauch

Titel: Der Rubin im Rauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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von angemalten Kulissen in das Land Palästina verwandelt
worden, und sie versuchte, aus Jim den Jungen David zu machen für
eine biblische Serie, die sie an Missionsgesellschaften verkaufen
könnten, wie Trembler meinte.
„Wann hast du dir zuletzt die Knie gewaschen?"
     
„Wetten, daß er noch nie seine verdammten Knie gewaschen hat.
    Wer schaut sich denn so 'n Bild überhaupt an?"
„Kannibalen", sagte Sally.
„Na, in der Wanne würd's schon abgehen, oder? Der alte Selby ist
    euch wohl egal? Ich wette, er ist tot."
„Schon möglich", sagte Rosa. „Hörst du jetzt wohl auf, so
rumzuzappeln, verflixt noch mal. Wir müssen was arbeiten..."
Ein Kunde kam in den Laden, und Sally bediente ihn. Als sie
zurückkam, strahlte sie übers ganze Gesicht.
    „Hört mal zu!" sagte sie. „Hört mal zu, das ist herrlich! Das war
einer von der Druckerei Chainey. Die wollen 'nen Haufen von
unseren Bildern drucken und sie in ganz London verkaufen. Wie
findet ihr das?"
    „Erstklassig!" sagte Frederick. „Welche denn?"
„Wieviel zahlen sie denn?" wollte Rosa wissen.
„Ich hab ihm gesagt, er solle am Montag wiederkommen. Ich hab
    gesagt, wir seien im Augenblick zu beschäftigt, um das zu besprechen,
aber daß wir Angebote von verschiedenen anderen Firmen hätten, und
daß wir sie gegeneinander abwägen müßten. Wenn sie zurückkommen
- "
    „Das hast du nicht gesagt!" sagte Rosa. „Es stimmt ja gar nicht!"
„Na, vielleicht jetzt noch nicht. Aber das kommt noch. Ich komm
dem nur zuvor, um den Preis ein bißchen zu heben. Frederick, wenn
sie wiederkommen, mußt du mit ihnen verhandeln. Ich sag dir, was du
sagen sollst."
    „Hoffentlich tust du das. Ich hab nicht die leiseste Idee. Oh! Hast du
das gesehn? Ich wollt's dir eigentlich schon früher zeigen."
Er schlug eine Seite der ,Times' zurück.
„Um Himmels willen", sagte Rosa ärgerlich. „Machst du heute
noch Aufnahmen oder nicht?"
„Natürlich mach ich welche", sagte er, „aber das ist vielleicht
wichtig. Hört zu: ‚Miss Sally Lockhart. Miss Sally Lockhart, Tochter
des verstorbenen Herrn Matthew Lockhart, London und Singapur,
wird gebeten, sich bei Herrn Reynolds im Warwick Hotel, Cavendish
Place, zu melden, dort kann sie etwas erfahren, was für sie von Vorteil
ist.' Wie findet ihr das?"
Jim pfiff durch die Zähne. „Das ist er. Der Kerl, der Selby umgelegt
hat."
„Das ist 'ne Falle. Ich gehe nicht hin", sagte Sally.
„Soll ich hingehn und so tun, als sei ich du?" fragte Rosa.
„Geh nicht", warnte Jim. „Der bringt dich um genauso wie den
alten Selby."
„Was weißt du über Selby?" fragte Frederick. „Du bist ja besessen,
du schrecklicher Bursche."
„Wetten, daß er tot is, 'ne halbe Krone wett ich da", sagte Jim
sofort.
    „Abgemacht. Sally, ich geh mit dir, wenn du willst. Wenn ich dabei
bin, kann er nichts machen."
„Wenn's aber Mr. Temple ist, was dann?" fragte sie. „Du vergißt,
daß ich mich immer noch verstecke. Er ist schließlich vor dem Gesetz
für mich verantwortlich, deshalb muß er alles Mögliche probieren, um
mich zu finden."
„Aber es könnte was mit deinem Vater zu tun haben", sagte Rosa.
„Er hat dich zum Beispiel Sally genannt und nicht Veronica."
„Das stimmt. Oh, ich weiß nicht, was ich tun soll. Aber... Ach, ich
weiß nicht. Es gibt zuviel zu tun hier. Machen wir endlich mal das
Bild fertig..."
    Am Sonntagnachmittag gingen Adelaide und Trembler spazieren.
Sie kamen am Britischen Museum vorbei, gingen die Charing Cross
Road hinunter und betrachteten Nelson auf seiner Säule; spazierten
auf einem schattigen Promenadenweg im St. James' Park und wollten
Ihre Majestät, die Königin besuchen, doch sie war nicht zu Hause,
denn die königliche Fahne wehte nicht auf dem Buckingham Palast.
    „Sie ist wohl in Windsor", sagte Trembler. „Sieht ihr ähnlich. Essen
wir statt dessen 'n paar heiße Maronen."
Sie kauften also einige Maronen und schlenderten durch den Park
und sparten ein paar Stückchen auf, um sie den Enten zu geben, die
sich wie kleine Kampfhähne darum balgten. Adelaide hätte sich nicht
träumen lassen, daß sie einmal so einen Nachmittag erleben würde.
Sie lachte und scherzte mit Trembler, als habe sie vergessen, wie man
unglücklich sein kann, und er lachte auch, bis ein Parkwächter kam
und sie wegschickte. Als er ihnen den Rücken gekehrt hatte, streckte
Trembler die Zunge heraus, und beide brachen wieder in Lachen aus.
Und da wurden sie entdeckt.
Ein junger Arbeiter von der Säge

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