Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
und ausruhte. Diesmal entzündeten sie kein Feuer.
»Ich wünschte, ich könnte meinen matrall ablegen«, murrte Eilenna, »der Regen dringt zwar kaum durch das Blätterdach, aber alles ist klamm, und ich würde gerne wieder eure Gesichter sehen.«
»Wir dürfen die Umhänge nicht ausziehen, bis wir Eisgarth erreicht haben oder das Versteck der Dorfbewohner«, ließ sich Dualar vernehmen.
»Der Wald hat etwas Unheimliches an sich«, meinte einer von Tamrils Männern. »Als ob er Augen hätte, die uns beobachten.«
Urisk schnüffelte in die Luft. »Ja, irgendjemand befindet sich in der Nähe.«
»Wie kommst du darauf?«
»Witterung man hat, es ist ein Mensch, kein Gredow!« Hörbar sog der Waldgeist die Luft ein.
»Still!«, zischte Tamril plötzlich, dass alle zusammenzuckten.»Da ist tatsächlich etwas, nun kann ich es auch wahrnehmen!«
Sie lauschten angestrengt, aber außer dem gleichmäßigen Rauschen des Regens auf den Blättern war nichts zu hören. Tenan fragte sich, ob Tamrils feine Sinne ihm einen Streich gespielt hatten. Angespannt saßen sie da, die Hände auf dem Knauf der Schwerter, und warteten.
Eine Zeitlang hörten sie nichts, dann sahen sie eine Gestalt, die geduckt von Baumstamm zu Baumstamm huschte. Vorsichtig spähte sie dahinter hervor und sondierte die Umgebung, bevor sie weiterrannte und hinter dem nächsten Stamm Schutz suchte. Es war ein junger Mann mit dunklem Haar, das ihm in nassen Strähnen ins Gesicht hing. Er trug einen verschlissenen grünen Mantel, der seine schäbige Kleidung nur unzureichend verdeckte. Sein Atem ging keuchend und stieg in kleinen Wölkchen in die kalte Luft. Tenan hatte den Eindruck, dass er weniger nach etwas suchte, sondern vielmehr selbst verfolgt wurde. Irgendetwas an seiner Art, sich zu bewegen, kam ihm vertraut vor. Als der Mann nah genug war, um sein Gesicht erkennen zu können, stieß Tenan einen freudig überraschten Schrei aus und sprang auf. Dualar packte ihn fluchend und wollte ihn zurückziehen, doch Tenan entwand sich dem Griff und eilte dem jungen Mann entgegen.
»Fenn!«
Der andere hielt erschrocken inne und blickte sich nach dem Urheber des Schreis um. Er zückte einen kurzen Dolch und ging in Verteidigungsposition.
»Fenn! Ich bin es, Tenan!«
»Zeig dich mir, Dämon!«, rief Fenn, dessen Augen gehetzt hin und her irrten. Tenan verlangsamte seinen Schritt. Waswar bloß in Fenn gefahren, und warum verhielt er sich so feindselig? Dann begriff er – natürlich! Fenn konnte ihn nicht sehen, kein Wunder, dass er ihn für einen körperlosen Dämon hielt. Hastig streifte Tenan den matrall über den Kopf und warf ihn ab.
Fenn wich mit einem Ausruf des Schreckens zurück, stolperte über eine Wurzel und fiel rücklings zu Boden. Er fuchtelte wild mit dem Dolch, um die geisterhafte Erscheinung auf Abstand zu halten.
Tenan musste lachen. »Keine Angst, ich bin kein Geist und will dir nicht schaden. Kennst du mich nicht mehr, alter Freund? Ich bin es, Tenan von Esgalin!«
Doch Fenn starrte ihn feindselig an und zischte: »Ist das etwa eine neue List von den Dienern Achests? Bleib mir vom Leib!« Er schrie abermals auf, als Dualar und auch die anderen Dan-Ritter ihre Tarnumhänge ablegten und wie aus dem Nichts auftauchten. Sie umringten Fenn mit gezogenen Schwertern.
»Was wollt ihr von mir?«, rief er ängstlich. »Aus welcher finsteren Hölle kommt ihr? Lasst mich in Ruhe!«
Tenan hob beschwichtigend die Hände und beugte sich zu ihm, doch Fenns Dolch zuckte nach oben, sodass Tenan zurückweichen musste.
»Fenn! Wir sind hier, um dir und den anderen Dorfbewohnern zu helfen«, sagte er eindringlich. »Es würde zu lang dauern, dir alles zu erklären, darum nur so viel: Die Ritter von Dan und ein großes Heer sind in Gondun gelandet, um die Insel von den Gredows zu befreien. Sag mir, wie geht es den anderen Dorfbewohnern? Ist Osyn bei euch? Geht es ihm gut?«
Als er den alten Comori erwähnte, senkte sich Fenns Klinge langsam, und Angst und Misstrauen wichen aus seinen Augen.»Tenan – du bist es wirklich!«, stammelte er fassungslos. Tenan streckte ihm die Hände entgegen und half ihm auf die Beine.
»Was sind das für Leute?«, fragte Fenn und schaute verwirrt auf die Dan, die ihre Schwerter senkten. »Wie bist du hierhergekommen? Ich dachte, du hättest Gondun verlassen.«
»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Tenan. »Ich werde sie dir ein andermal erzählen. Was treibst du hier?«
»Gredows, überall!«, erwiderte Fenn
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