Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
Heulen des Windes, der durch die Schlucht wehte.
32
Kaum waren Dualar und Tenan durch das Weltentor wieder in ihre normalen Körper zurückgekehrt, stürmte ein Diener ins Zelt und riss sie unsanft in die hiesige Gegenwart zurück. Er war außer Atem und benötigte einen Augenblick, um sprechen zu können. »Hauptmann Dualar!«, schnappte er, »schnell, folgt mir bitte, Lord Amberon verlangt dringend nach Eurer Anwesenheit!«
»Bei Belgon, was ist geschehen?« Dualar runzelte die Stirn und rieb sich die Schläfen. Er war von dem Ausflug in die Grauen Sphären noch ganz benommen.
Der Diener antwortete nicht gleich auf die Frage, er hatte Tenan entdeckt, der hinter Dualar ins Licht der Kerzen trat. »Tenan von Esgalin? Wie gut, dass ich Euch hier antreffe. Auch Ihr sollt sofort zum Zelt des Erzmagiers kommen.«
»Noch einmal – was ist los?«, rief Dualar ungeduldig.
»Genaues kann ich Euch nicht sagen, Herr«, antwortete der Diener, »aber es ist wohl eine Angelegenheit von größter Wichtigkeit. Nur soviel habe ich gehört: Man munkelt, der Meledos-Kristall, das Siegel der Finsternis, sei wieder aufgetaucht!«
Tenan und Dualar wechselten einen erschrockenen Blick, dann rannten sie hinaus. Als sie die dicken Stoffbahnen von Amberons Zelt zurückschlugen, erblickte Tenan zu seiner Verwunderung Eilenna. Sie saß vornübergebeugt auf einem Hocker, das Gesicht in den Händen vergraben. Unter ihrem langen Haar war ihr Antlitz nicht zu erkennen, aber ihr Körper wurde von heftigen Schluchzern geschüttelt. Urisk stand bei ihr, rang die Hände und versuchte sie mit gurrenden Lauten zu trösten.
»Lest Euch das hier durch, Dualar, und sagt mir, was Ihr davon haltet.« Amberon streckte dem Hauptmann mit ernstem Gesicht ein vergilbtes Pergament entgegen. »Ein Söldner namens Jorik hat es vor einer Stunde bei mir abgegeben.«
Dualars Züge veränderten sich, während er las. Eine Mischung aus Erstaunen und mühsam unterdrückter Erregung huschte über sein Gesicht. »Der Meledos ist wieder aufgetaucht«, hauchte er. »Das ist wahrhaft eine gute Nachricht!« Er schloss für einen kurzen Moment die Augen, um seiner Aufregung Herr zu werden.
Tenan starrte Amberon an. »In wessen Händen befindet sich der Kristall nun?«
»Es scheint, der Südländer trägt ihn bei sich, der euch durch das Labyrinth folgte, durch das ihr nach Meledin kamt.«
»Thut Thul Kanen!«
Amberon nickte. »Anscheinend konnte er dem Bash-Arak den Kristall im Kampf abnehmen, und nun will er ihn als Druckmittel gegen uns einsetzen.« Der Erzmagier schaute bedauernd zu Eilenna. »Es wird keine leichte Entscheidung für das Mädchen sein«, sagte er leise.
Tenans Blut gefror in seinen Adern. Wovon sprach Amberon? Was hatte Eilenna mit alldem zu tun?
Dualar reichte ihm wortlos das Pergament.
Die Nachricht war in einer weit ausholenden, kräftigen Schrift verfasst, nicht ganz fehlerlos, aber erschreckend in der Klarheit und Einfachheit ihrer Sprache. Tenans Herzschlag verlangsamte sich, als er den Inhalt der Botschaft erfasste. »Dieser Bastard! Er bietet den Kristall im Austausch gegen Eilenna an? Sie soll ihn als Sklavin in die Südlande begleiten? Auf keinen Fall!«, rief er aus. »Das dürfen wir nicht zulassen!« Vor Aufregung zerknitterte er das Pergament.
»Es ist ein Angebot, das wir wohl überlegen müssen«, sagte Amberon hart. »Der Besitz des Meledos könnte über Sieg oder Niederlage im Kampf gegen Achest entscheiden.«
Tenan trat auf Eilenna zu und kniete vor ihr nieder. Noch immer hielt sie den Kopf gesenkt, obwohl ihr Schluchzen mittlerweile verebbt war. »Wir werden eine andere Möglichkeit finden, den Kristall in unsere Hände zu bringen«, versuchte er sie zu trösten. »Thut Thul Kanen wird dich niemals in seine Gewalt bekommen, das verspreche ich!«
Amberon seufzte. »Ich bin jede einzelne Möglichkeit durchgegangen, wie wir in den Besitz des Meledos gelangen könnten, ohne auf die Bedingungen des Südländers einzugehen, es scheint aber momentan keine Alternative zu geben. Er wird uns das Versteck des Meledos erst verraten, wenn wir ihm einVyron-Flugtier übergeben, mit dem er und Eilenna fliehen können.«
»Könntet Ihr nicht Magie einsetzen?«, sagte Tenan hoffnungsvoll, doch Amberon schüttelte den Kopf.
»Das ist viel zu gefährlich, Eilenna könnte dabei zu Schaden kommen.« Amberons Miene verriet, wie sehr auch ihm die Ausweglosigkeit der Situation missfiel.
»Was, wenn er uns betrügt und den Kristall gar nicht
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