Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
sich tief vor Eilenna, die ihn kalt anblickte, ohne etwas zu erwidern. Er ließ sich davon nicht beirren und sprach weiter. »Ich hatte ehrlich Zweifel, ob Ihr kommen würdet. Ich selbst würde nie in Erwägung ziehen, eine solche Kostbarkeit wie dieses Mädchen gegen einen Zauberkristall einzutauschen. Musstet ihr sie unter Druck setzen?«
»Wenn sich Eilenna Euch anvertraut, so tut sie es freiwillig und nicht, weil irgendeiner der Dan sie dazu zwingt«, gab derErzmagier zurück. »Sie hat sich aus freien Stücken entschieden, Eurer Forderung nachzukommen.«
»Ich werde sie ehren und ihr einen Platz am Hofe zukommen lassen, der ihrer Schönheit gerecht wird.«
»Damit Ihr mich ausstellen könnt wie eine Statue in einem Eurer Tempel?«, fauchte Eilenna, die sich nicht mehr zurückhalten konnte.
Thut Thul Kanen lachte. »Die Völker der Shon-Inseln ehren ihre Frauen wie ihre Götter. Ich habe noch keine Frau gehört, die sich darüber beklagt hat.«
»Dann sind sie aus einem anderen Holz geschnitzt als die Frauen des Nordens. Macht Euch auf eines gefasst: Ich werde mich nicht damit zufriedengeben, in einem der Frauengemächer zu sitzen, die Zeit mit Müßiggang zu verbringen und darauf zu warten, bis Ihr Euch zu mir gesellt.«
»Genau diese Haltung ist es, die mein Interesse weckt«, sagte Thut Thul Kanen ruhig. »Nicht viele wagen es, mir die Stirn zu bieten und sich mir zu widersetzen. Aber dies sind Dinge, die wir später diskutieren können – lasst uns endlich zum Austausch kommen!«
Tenan hatte der Unterhaltung mit mühsam zurückgehaltener Wut zugehört und trat einen Schritt auf Thut Thul Kanen zu. »Gibt es nichts, was wir Euch anstelle Eilennas anbieten könnten?« Der Südländer befand sich am Rande des Lichtkegels der Fackeln, sodass Tenan seine Züge nicht genau erkennen konnte.
Der andere lachte. »Sieh an, der Junge, der den Kristall bei sich trug! Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich wiedersehe, nach der Verletzung, die das Schattenwesen dir zugefügt hat.«
»Ich bin zäher, als man vermutet.«
»Wie wahr. Du und deine Begleiter, ihr müsst sehr verzweifeltgewesen sein, als ihr vor Erskryn und mir flüchtetet und den Weg durch den Strudel von Arnom Gath wähltet.«
»Immerhin seid Ihr uns gefolgt. Sagt, wie stark war Eure eigene Verzweiflung, als Ihr Euch in die tosenden Wassermassen gestürzt habt?«
»Verzweiflung? Das war es nicht. Vielmehr der Wunsch, das zu retten, was mir zusteht.«
Tenan ballte wütend die Fäuste und zog dabei versehentlich an den Zügeln, dass der Vyron erschrocken hochfuhr. »Was Euch zusteht? Ihr seid nicht bei Trost! Was ...«
Dualar packte ihn und zog ihn zurück.
»Wir sollten uns auf das Wesentliche beschränken«, sagte Amberon in strengem Ton. »Gibt es wirklich nichts anderes, das wir Euch im Austausch für den Kristall anbieten können?«
»Ich will das Mädchen, sonst nichts! Versucht erst gar nicht, mit mir zu feilschen.«
Der Erzmagier unternahm einen letzten Versuch. »Ich habe Einfluss beim Hochkönig und könnte mich dafür einsetzen, dass er den Status der Südinseln innerhalb des Reichs von Algarad neu überdenkt. Gut möglich, dass er Euer Volk aus dem Bund der vereinigten Inseln entlässt, dann wären die Inseln von Shon wieder frei und unabhängig.«
»Ich werde dem Herrscher von Shon diese Botschaft gern übermitteln, wenn sie denn ernst gemeint ist. Doch das ändert nichts daran, dass ich den Kristall nur gegen das Mädchen eintausche.«
Ein Würgen hilfloser Wut stieg in Tenans Kehle auf. Wie konnte dieser Bastard es wagen!
Auch Amberons Augen glühten. »So sei es denn«, sagte er. »Lasst uns mit der Übergabe beginnen. Wie sollen wir verfahren?«
Der Südländer trat weiter in den Lichtschein der Fackeln, sodass man seine Züge besser erkennen konnte. »Vortrefflich. Auch mir liegt daran, die Angelegenheit schnell hinter mich zu bringen. So hört! Das Mädchen soll mit dem Vyron am Zügel zu mir kommen. Sobald sie bei mir ist, werde ich euch den Kristall zuwerfen.«
»Wie können wir sicher sein, dass Ihr uns nicht betrügt?«, fragte Dualar.
Thut Thul Kanen schenkte ihm ein raubtierartiges Lächeln. »Ihr müsst mir einfach vertrauen, Hauptmann. Aber ich will Euch einen ersten Beweis liefern.« Er reckte seinen Arm hoch und hielt einen Gegenstand empor, der in ein zerrissenes Tuch gehüllt war. »Hierin befindet sich der Stein!«
Tenan schnaubte; das konnte genauso gut ein Felsbrocken sein, doch Amberon trat zurück und
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