Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
es nur ihrem Ziel dient. Keinem von ihnen geht es um die Freiheit oder gar die Erlösung der Schatten – ihre Beteuerungen sind Lügen. Solange ihr dem Bash-Arak folgt, werdet ihr den Grauen Sphären nicht entrinnen können. Seid ihr wirklich bereit, mir zu folgen? Dann wisset, meine Verpflichtung und meine Loyalität gelten dem Orden von Dan und nicht dem finsteren Streben des Herrn der Schatten! Bevor ich euch aus seinem Einfluss befreien kann, müsst ihr zunächst die Schuld abtragen, die ihr im Laufe der vielen hundert Jahre auf euch geladen habt. Dies könnt ihr tun, indem ihr mir dabei behilflich seid, Achest und euren Herrn und Meister zu stürzen. Nie wieder dürfen sie die Geschicke der Menschheit lenken und Macht über Algarad ausüben.«
Die Schatten nickten, ihre Entscheidung war bereits vor Tenans Rede gefallen. »Du bist unser Dai, du bist der Linethar. Sprich, und wir werden tun, was du befiehlst.«
»Mir scheint wichtig, über alles, was in den Grauen Sphären vor sich geht, unterrichtet zu werden. Deshalb werde ich bald wieder hier mit euch zusammentreffen. Versucht in derZwischenzeit, andere Unai davon zu überzeugen, sich vom Bash-Arak abzukehren; je größer eure Anzahl, desto stärker eure Macht!«
Eoch trat vor ihn. »Dir selbst droht große Gefahr aus den Grauen Sphären, Linethar«, sagte er eindringlich. »Der Bash-Arak und seine Diener trachten dir nach dem Leben, denn sie ahnen, dass du besondere Kräfte in dir trägst. Wenn du getötet werden würdest, wäre all unsere Hoffnung dahin. Deshalb werden wir versuchen, dich vor ihnen zu schützen.«
»Ich danke euch«, antwortete Tenan. Das war genau das, was er erhofft hatte.
»Allerdings können wir dir nur auf dieser Ebene zur Seite stehen«, wandte Eoch ein. »Denn wir können diese Welt nicht verlassen. Diese Macht haben nur der Bash-Arak und sein Diener Leargh. Damit du dich aber wenigstens hier ungefährdet aufhalten kannst, trage dies stets mit dir.« Eoch reichte Tenan einen schlichten, silbrig glänzenden Armreif. »Dies ist das Siegel des Arum, eines weisen Magiers, der einst zwischen den Welten wanderte. Wenn du es trägst, wird es deine Anwesenheit in den Grauen Sphären verbergen, und niemand wird dich bemerken. Weder der Bash-Arak noch seine Diener werden wissen, dass du dich hier aufhältst.«
Tenan dankte den Schatten und streifte den Reif über. Er schmiegte sich eng um sein Handgelenk und passte wie angegossen.
Die Schatten glitten langsam zurück in Richtung der Treppe. »Es ist Zeit für uns zu gehen, unser Fernbleiben darf nicht bemerkt werden. Dein Erscheinen im Zwischenreich hat uns Hoffnung gegeben, und die Kunde davon wird jene erfreuen, die im Zwielicht leben und entfliehen wollen.«
Damit lösten sich die Umrisse der Schattenwesen in derDunkelheit auf. Tenan atmete unwillkürlich auf. Obwohl ihm diese Unai wohlgesinnt waren, erfüllte ihn ihre Anwesenheit mit unterschwelliger Furcht – zu tief war die Erinnerung an das Zusammentreffen mit Leargh und dem Bash-Arak in sein Gedächtnis eingegraben.
»Das war einfacher als gedacht«, sagte Dualar, als die Schatten verschwunden waren und er aus der Nische ins Licht der Fackeln trat. »Ich hätte nie für möglich gehalten, dass sie dir so schnell ihr Vertrauen schenken. Ist es nicht unglaublich – sie haben dich als Dai anerkannt, als Nachfahre der Enim. Ich hatte also recht mit meiner Vermutung!«
»Ein Anfang ist nun gemacht«, sagte Tenan erleichtert, »nun muss ich alles dafür tun, das gegenseitige Vertrauen wachsen zu lassen.«
»Es war klug von dir, sie zuerst in die Pflicht zu nehmen und ihnen erst dann Rettung in Aussicht zu stellen.«
»Ich hatte gar keine andere Möglichkeit«, sagte Tenan schulterzuckend, »denn ich weiß immer noch nicht, wie ich ihnen helfen soll oder sie gar befreien kann.«
»Dein dhorin wird dir den Weg weisen. Sei einfach wachsam und höre auf die Stimme deiner Intuition.«
Gemeinsam traten sie den Weg zurück an die Oberfläche an und stiegen die vielen hundert Stufen empor ans graue Tageslicht. Tenan strich über den silbernen Armreif und dachte an das, was er von den Unai erfahren hatte. Sie schienen ihm bedingungslos zu vertrauen, die Rolle, in die sie ihn drängten, widerstrebte ihm jedoch zutiefst. Er mochte ein Dai sein, aber es war kein Retter, sondern hatte jahrelang nur als einfacher Comori-Lehrling gelebt, der sich nichts sehnlicher wünschte, als ein Krieger in den Reihen des Ordens von Dan zu werden. Auch
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