Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
liegt weiterhin im Dunklen. Vor allem aber gibt es Fragen, die dich selbst betreffen, Tenan von Esgalin.«
Tenan hatte keine Ahnung, worauf der Magier hinauswollte. Seine Anspannung wuchs.
Amberon rückte sich auf dem Hocker in eine bequemere Position und fuhr fort: »Es gibt Dinge in deinem Bericht, die die Aufmerksamkeit des Rats auf sich gezogen haben.« Er holte aus seinem wallenden Gewand jenen Beutel hervor, in dem Tenan während der Reise nach Meledin den Meledos-Kristall verborgen hatte. Die Rune darauf schimmerte geheimnisvoll. »Das ist eine sogenannte Angara-Rune, ein magisches Zeichen von außergewöhnlicher Macht. Vermutlich hat Lord Iru den Kristall schon damals, als er ihn fand, mit dieser Schutzrune versehen, damit seine Kräfte dem Träger kein Unheil zufügen können. Wie du weißt, verfällt jedermann sofort dem Wahnsinn, der den Kristall berührt oder hineinblickt, so wie es auf eurer Reise dem unglückseligen Matrosen ergangen ist.«
Tenan dachte mit Grausen daran, wie der Herr der Schatten auf der Dakany Besitz vom Körper des Matrosen ergriffen hatte, als jener den Meledos in den Händen hielt.
Amberon wendete den silberfarbenen Beutel hin und her, sodass sich Lichtstrahlen darauf brachen und ein buntes Farbenspiel entstand. »Dir aber, Tenan von Esgalin, scheint der Meledos nichts anhaben zu können. Und genau das ist merkwürdig. Es bedarf eines mächtigen Zaubers, damit der Stein keinen Einfluss auf jemanden hat, der ihn berührt.«
Tenan senkte unbehaglich den Blick. »Ich habe mich auch schon gefragt, woran das liegt. Aber ich bin nicht der Einzige: Auch Meister Osyn konnte den Stein ohne Gefahr in den Händen halten. Vielleicht gibt es noch andere, denen er nichts anhaben kann?«
Amberon zog die Brauen hoch. »Früher mag es solche Menschen in der Tat gegeben haben, doch heute ...? Achest Todesfürst und der Bash-Arak haben den Kristall durch schwarze Magie so stark verdorben, dass die Schattenwesen jeden angreifen, der den Meledos schutzlos in die Hände nimmt. Dein Meister hat vielleicht einen Gegenzauber angewandt, der ihn für kurze Zeit schützte. Aber bei dir muss es eine andere Erklärung geben, denn du wirst durch keinen Zauber geschützt und kannst seine Kräfte dennoch lenken.«
»Ich habe tatsächlich eine gewisse Macht über den Stein«, gestand Tenan nicht ohne Stolz, »aber ich weiß nicht, woher sie kommt. Vor allem weiß ich nicht, wie ich sie beherrschen kann.«
»Und gerade dies ist von größter Wichtigkeit, sonst wenden sich die Mächte am Ende gegen dich. Du musst diese Kräfte vollkommen meistern, wenn du in den Orden von Dan aufgenommen werden willst.«
Tenan durchfuhr es wie ein Blitz. Was hatte Amberon da gesagt? »Ich? In den Orden von Dan? Aber ...« Er starrte den Magier ungläubig an.
»Ich weiß, dass dies ein lang gehegter Wunsch von dir ist, du selbst hast es in der Ratsversammlung gesagt.«
Obwohl Amberon ihm aus der Seele sprach, fühlte sich Tenan in seiner Gegenwart plötzlich klein und bedeutungslos. »Mein Lord, ich glaube nicht, dass ich die Ausbildung erfolgreich absolvieren kann, bisher habe ich sogar in der KleinenMagie versagt. Meister Osyn verzweifelte schier, wenn wieder einer meiner Zaubersprüche fehlschlug.« Er ließ den Kopf hängen. »Ich glaube, ich habe keine wirkliche Begabung für die Magie. Wie soll ich da ein Novize im Orden von Dan werden? Ein Platz als Soldat im Heer des Hochkönigs wäre wohl Ehre genug.«
»Keine falsche Bescheidenheit! Fast jeder kann die Magie der Dan erlernen«, widersprach ihm Amberon. »Doch dazu sind Disziplin und Wahrhaftigkeit erforderlich – die Grundpfeiler der Schule des Ordens von Dan. Die Magie der Dan-Ritter beruht auf den Kräften des dhorin, die in jedem Wesen vorhanden sind. Im Gegensatz zu den Comori oder anderen Zauberern verlassen sich die Ritter von Dan nicht auf fremde Mächte wie Geister oder Schattenwesen, um Magie zu wirken. Stattdessen lernen sie Zugang zu ihren inneren Fähigkeiten zu finden, die sie im Lauf der Ausbildung entwickeln und wachsen lassen. Ich spüre, du hast großes Potential, Tenan von Esgalin. Aber auch von dir wird die Ausbildung das Äußerste abverlangen – wenn du dich entschließt, sie bis zu ihrem Ende zu durchlaufen.«
»Ich ... ich bin geehrt von Eurem Vertrauen, mein Lord«, stammelte Tenan überwältigt. Amberons Angebot war mehr, als er je zu hoffen gewagt hatte. Sein Meister Osyn hatte nie viel von seinen Fähigkeiten gehalten, zumindest
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