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Der Ruf der Finsternis - Algarad 2

Der Ruf der Finsternis - Algarad 2

Titel: Der Ruf der Finsternis - Algarad 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Reichard
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an ihm vorüber, allerdings nahm er die Szenen wie ein Außenstehender wahr, der nicht in das Geschehen involviert war, sondern nur beobachtete. Er sah, wie er in einem Schiffswrack am Strand von Gondun den geheimnisvoll leuchtenden Meledos-Kristall fand; Bilder von Gredows und unheimlichen Schattenwesen flammten auf; dann sah er sich mit den Gefährten auf der Dakany, und die Piraten des Roten Erskryn nahmen sie in der Meeresenge von Sinth gefangen; kurz darauf befanden sich die Gefährten im Labyrinth unter dem Meer; schließlich zogen die alptraumhaften Bilder des Kampfes zwischen ihm, dem Bash-Arak und Thut Thul Kanen sowie der Verlust des Meledos-Kristalls vor seinem inneren Auge vorbei.
    Bald wurden die Erinnerungen bruchstückhafter und verloren den Zusammenhang. Die sanften Hügel Gonduns erstreckten sich im Abendlicht bis zum Horizont. Meister Osyn und er suchten im Dämmerlicht nach seltenen Heilkräutern, die nur zu bestimmten Zeiten gepflückt werden durften. Dann wiederum blitzten Szenen auf, wie er und Amris sich im Schwertkampf übten. In jugendlichem Übermut prasselten dieSchläge ihrer Holzschwerter aufeinander, ihre Gesichter glühten vor Eifer und Erregung.
    »Der Kyn-Doron führt dich immer weiter in die Vergangenheit«, hörte er Amberon sagen. »Dein ganzes Leben breitet sich vor dir aus, und wir sehen alles, was sich bisher ereignet hat.«
    Tenan betrachtete die Szenen mit einer Mischung aus Erstaunen und Belustigung. Es war, als ginge er in der Zeit rückwärts und als würde er immer jünger. Seine Jugend, seine Kindheit, die kleinen Freuden und Ärgernisse früherer Tage traten in sein Bewusstsein. Nur an weniges konnte er sich im Wachzustand erinnern, besonders die Erlebnisse aus seiner Kindheit waren ihm größtenteils fremd. Tenan fragte sich, nach welchen Hinweisen der Erzmagier forschte, denn die bisherigen Ereignisse schienen bedeutungslos.
    Mittlerweile waren sie in Tenans frühester Kindheit angekommen, in der Zeit, als Meister Osyn mit ihm in die kleine Kate am Rand Esgalins zog, um sich dort als Comori zu verdingen. Osyn hatte sich über diese Zeit stets ausgeschwiegen. Er hatte nie erzählt, wer Tenans Eltern gewesen waren oder unter welchen Umständen er ihn aufgenommen hatte. Vielleicht würde Tenan durch den Kyn-Doron jetzt endlich Klarheit darüber erhalten.
    Plötzlich kam ihm Amberons Anwesenheit in seinem Geist lästig und unangenehm vor. Der Erzmagier fühlte sich wie ein Fremdkörper an, der in diesen Erinnerungen nichts zu suchen hatte. Entgegen seiner ursprünglichen Entscheidung wollte er nicht mehr zulassen, dass Amberon seine Vergangenheit erforschte.
    Tenan focht einen inneren Kampf aus. Einerseits wollte er weiterkommen, wollte endlich sehen, was sich nach seiner Geburtzugetragen hatte, das Geheimnis um seine Eltern lüften. Andererseits gab es einen Teil in ihm, der sich immer stärker dagegen wehrte.
    Seine Anspannung verdichtete sich, wurde unerträglich. Für einen kurzen Augenblick sah er eine dunkle Gestalt auftauchen. Ihre rechte Hand gebot in einer abwehrenden Geste Halt, und obwohl ihre Gesichtszüge durch einen Schleier verborgen waren, wirkte sie hart und unerbittlich. Tenan wusste sofort: An dieser Stelle war kein Weiterkommen möglich. Auch Amberon schien das zu bemerken; seine Präsenz in Tenans Geist verharrte und wartete ab, was sich nun ereignen würde.
    Tenan drängte noch einmal ungestüm vorwärts, lehnte sich gegen den Widerstand auf, den die Erscheinung bot. Plötzlich erfasste ihn eine bleierne Müdigkeit. Er kämpfte dagegen an, wollte wach bleiben, um endlich die Dinge zu sehen, die so lange vor ihm verborgen geblieben waren. Doch die Schwere in seinem Kopf nahm zu, drückte ihn förmlich in den Schlaf. Er wollte Amberon um Hilfe bitten, aber er war wie erstarrt, konnte sich weder bewegen noch sprechen. Ein wirbelndes Nichts tauchte vor ihm auf, wurde größer und verschlang schließlich sein Bewusstsein.

6
    In der kleinen Turmkammer der Festung Nagatha bewegte Meister Osyn noch einmal vorsichtig seine Arme und Beine, als wolle er sich vergewissern, dass sie noch vorhanden waren. Der Boden unter den Füßen strahlte Kälte aus und ließ ihn frösteln.
    »Wenn mir jemand gesagt hätte, ich würde mich auf meine alten Tage in die Festung des Todesfürsten begeben, ich hätte ihn einen Narren genannt. Wie verrückt muss ich auch sein!«
    Er war noch ganz benommen von den Anstrengungen des Fluges in Gestalt eines Habichts, haltsuchend tastete

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