Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
dort eintreffen. Wie in Kriegszeiten üblich, soll er im Schutz der Schwimmenden Festung seine Befehle für den Feldzug der Dan-Ritter geben.« Der Schüler schwieg einen Moment, damit Drynn Dur die ganze Tragweite dieser Nachricht erfassen konnte. »Ich muss Euch wohl nicht verdeutlichen, welche Gunst des Schicksals dies ist. Niemand ahnt, dass wir den Standort Garadins entdeckt haben. Wir haben jetzt die einmalige Gelegenheit, sowohl die Schwimmende Festung zu besetzen und damit das gesamte magische Wissen der Dan-Ritter an uns zu bringen, als auch Hochkönig Andorin gefangen zu nehmen. Unser Triumph wäre vollkommen. Die Dan-Ritter wären ohne Herz und Kopf eine leichte Beute für den Todesfürsten.«
Drynn Durs wulstige Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, das seine vergilbten Hauer entblößte. Obwohl er den Schüler nicht ausstehen konnte, musste er zugeben, dass er selten eine bessere Nachricht vernommen hatte. Dennoch erfasste ihn ein Gefühl des Misstrauens. »Weshalb erzählst du mir das alles?«, fragte er.
»Ich tue nur das, was mein Auftrag verlangt, und handele ganz im Sinne unseres Meisters. Er lässt Euch ausrichten, dass Ihr abwarten werdet, bis sich der Hochkönig Garadin nähert. Sobald Andorin mit seinem Gefolge nicht mehr flüchten kann, erobert Ihr die Schwimmende Festung, nehmt den Hochkönig als Geisel und bringt die Bibliothek in Euren Besitz. Dies ist es, was unser Meister von Euch verlangt.«
Dass sich der Schüler anmaßte, ihm, dem Befehlshaber der Gredows, die Anweisungen des Todesfürsten zu übermitteln,entlockte Drynn Dur abermals ein bedrohliches Grollen. Doch bevor er etwas erwidern konnte, verblasste das Bild seines Gegenübers und nur noch seine eigene Fratze starrte ihm zornig aus dem Spiegel entgegen.
Die Wut des Admirals verrauchte jedoch schnell, als er daran dachte, was vor ihm lag. Wenn er es geschickt anstellte und sein Vorgehen von Erfolg gekrönt war, war ihm ein triumphaler Erfolg vergönnt, den selbst der Bash-Arak nicht übertreffen konnte. Er, Drynn Dur, würde zum mächtigsten Diener des Todesfürsten aufsteigen und all jene vernichten, die gegen ihn gewesen waren.
31
Auf Dualars Befehl hin fanden sich die Okuren, die Wächter . der Magie, in den späten Abendstunden auf der Trasé ein und nahmen ihre Anweisungen entgegen. Es waren große Menschen mit verschlossenen und vergeistigten Zügen, die einer anderen Welt anzugehören schienen und zwischen den kräftigen Seeleuten und Kriegern seltsam deplatziert wirkten. Ihre Köpfe zierten hohe, spitze Hauben, in die kunstvoll Kristalle und goldene Stäbe eingearbeitet waren.
Tenan beobachtete, wie sie schweigend und gemessenen Schrittes, die Hände in den weiten Ärmeln ihrer langen, dunkelblauen Roben verborgen, über das Deck gingen und geisterhaft in einer Luke verschwanden, die den Zugang zu einem von der Außenwelt abgeschirmten Raum inmitten des Schiffes bildete. Dort würden sie ihrer geheimnisvollen Aufgabe nachgehen.
»Die Okuren durchsuchen nun alle Schiffe genauestens nach einer Spur des Meledos«, erklärte Dualar. »Sie sind fähig, die Ausstrahlung eines magischen Gegenstandes wie des Meledos-Kristalls aufzuspüren und seinen Standort zu bestimmen. Die Chancen ihn zu finden stehen gut, denn der Kristall strahlt seine Magie zu jeder Zeit in alle Richtungen aus. Sollte er sich an Bord eines der Schiffe befinden, werden sie ihn finden – es sei denn, eine magische Rune oder ein anderer Zauber schirmt ihn ab.« Er strich seinen Umhang glatt. »Ich werde ihnen Beistand leisten und mit ihnen die ganze Nacht durcharbeiten.«
»Ihr wollt in dieser kurzen Zeit die ganzen Schiffe absuchen? Das sind Hunderte von Räumen und Winkeln!«, staunte Tenan.
»Niemand hat gesagt, dass es einfach wird«, entgegnete Dualar lächelnd, klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und gesellte sich zu den magischen Wächtern. Tenan blieb mit einem Gefühl des Unbehagens allein zurück.
32
Verbittert zog Osyn am Zügel des Orn-Tiers. Er hatte genug davon, in der Finsternis umherzuirren, sehnte sich nach frischer Luft und ein wenig Tageslicht, das er bei seiner Ankunft auf Caithas Dun durch die Wolkendecke hatte sickern sehen. Zu seiner Erleichterung hatte sich der Zustand Lord Irus in den letzten Stunden etwas verbessert, er stöhnte nicht mehr, sondern schien in einen tiefen Schlaf gefallen zu sein, in dem er unverständlich vor sich hin murmelte.
Plötzlich hörte Osyn das Klacken mehrerer eisenbeschlagener
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