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Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari

Titel: Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Mennen
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Bewegungen, während sie mal trällernd, mal schnalzend ihren Gesang ausführte. Die Frauen und Männer um sie herum begleiteten sie unterdessen mit monotonen, abschirmenden Melodien. Nach etwa einer halben Stunde klang Nakeshis Stimme so heiser, dass sie schließlich verstummte. Ihre Lippen formten weiter lautlose rituelle Worten, während ihr Körper in Bewegung blieb. Unentwegt stampfte und tanzte sie, ohne die kleinste Unterbrechung. Frauen und Männer um sie herum sangen weiter. Einfach und monoton, sodass nichts von außen die Zeremonie stören konnte. Musik, Gesang, die Anstrengung des
Tanzens, der Rauch und die Hitze des Feuers, aber vor allem Nakeshis völlige Konzentration auf den kranken Kantla bewirkten schließlich, dass sich ihr Num zu entfalten begann. Wie brodelnde Wasserblasen stieg es in ihrem Inneren empor, quoll hoch und half ihr, langsam ihren Geist von ihrem Körper zu lösen. Dann setzte die Trance ein. Der Ruck war wie eine Welle zu spüren und erfasste die gesamte Dorfgemeinschaft. Jeder einzelne Buschmann wurde von der überirdischen Kraft erfasst, die ihnen nun allen zur Verfügung stand. Die Gedanken der Gemeinschaft bündelten sich und konzentrierten sich auf den Kranken, doch nur der Heiler war fähig, seinen Körper zu verlassen und in Kontakt mit den Geistern zu treten, die das Wohlbefinden Kantlas störten. Nakeshis Augen verdrehten sich, bis nur noch das Weiße darin zu sehen war, ein irres Lächeln überzog ihr so hübsches Gesicht, bis es sich schließlich entkrampfte und wieder heiter und gelassen wurde. Mit bedächtigen Schritten ging sie auf jeden einzelnen Menschen ihrer Sippe zu und legte ihnen die Hände auf. Es war eine rituelle Heilung, die sie vollführte. Sie hatte den Sinn, sie alle zu stärken und ihnen Kraft für den weiteren Weg zu verleihen. Ihre leicht zuckenden Hände schwebten über Kantla und verweilten über dem Kopf des Kranken, in dem sie den Ursprung seiner Krankheit vermutete. Kaum hatte sie ihn berührt, begann ihr Körper heftig zu zittern. Ihre Atmung verlangsamte sich und ging immer schwerer; Nakeshi wurde kurzatmig. Von außen betrachtet sah es aus, als würge ein Unsichtbarer sie am Hals. Schweiß brach ihr aus allen Poren und überdeckte ihren ganzen Körper. Nakeshi nahm ihn dankbar an. Sie wischte den heilenden Schweiß von ihrem Körper und übertrug ihn auf Kantlas Kopf. Dann fuhr sie mit ihren Fingerspitzen über sein Rückgrat, hoch zu seinem Kopf, und zog die Krankheit, die Kantla quälte, aus seinem Körper, um sie in ihrem Mund aufzunehmen. Einen Augenblick lang schwankte sie, bevor sie einen markerschütternden Schrei ausstieß und damit
die Krankheit aus ihrem Körper wieder zurück in die Luft schleuderte. Dann brach sie zusammen.
     
    Kantlas Krankheit schwebte nun über den Buschmännern und suchte sich wie dräuendes Unheil einen neuen Aufenthaltsort. Nakeshi blieb nur wenig Zeit. Sie musste schleunigst den Verursacher der Qual finden und ihn bitten, die Krankheit mit seinen Pfeilen aufzulösen und den Geist Kantlas in Ruhe zu lassen. Während Chuka und Besa mit flinken Händen ihren schweißbedeckten Körper massierten, befand sich Nakeshis Geist schon längst im Reich der Geister. Die Loslösung von ihrem Körper bedeutete zunächst eine große Erleichterung. Leicht wie eine Feder schwebte sie durch die Anderswelt. Doch dann überfielen sie Freude und Trauer, als ihr Sheshe begegnete. Nun war die traurige Vermutung zur Gewissheit geworden. Ihre Tante und Mentorin war in die andere Welt übergewechselt. Freundlich winkte ihre Lehrmeisterin ihr zu und ermutigte sie durch ein weises Lächeln.
    »Hilf mir, Sheshe«, flehte Nakeshi. »Wer hält Kantlas Geist gefangen?«
    Sheshes Gesicht verdunkelte sich. Bedauernd schüttelte sie den Kopf. Ohne ein Wort mit ihr zu wechseln, drehte sie ab und verschwand in einem plötzlich auftauchenden Nebel. Nakeshi musste sich selbst entscheiden. Wahllos schlug sie eine Richtung ein und fand sich plötzlich in der fremden Welt mit ihrer Wüste aus viereckigen Steinen wieder, in der sie bei ihrer ersten Geisterreise bereits gewesen war. Dieses Mal machte sie ihr keine Angst mehr. Nach kurzer Zeit traf sie auf den Geist einer Frau. Es musste Kantlas Frau sein, denn sie hielt seinen Geist in ihren Armen. Singend wiegte sie ihn hin und her.
    »Was tust du da?«, fragte Nakeshi freundlich.
    »Ich singe für meinen geliebten Mann«, meinte der weibliche Geist stolz. »Sieh nur, wie gut es ihm

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