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Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari

Titel: Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Mennen
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Geist fand. Er drohte wie eine leichte Federwolke auseinanderzustieben und in der Endlichkeit des Totenreiches verloren zu gehen. Ohne zu zögern übertrug Debe sein Num auf seine Tochter, bündelte so ihren Geist und schleppte sich mit ihr auf den Weg zurück. Mit einem krampfartigen Zittern, das sich über einen längeren Zeitraum hinzog, gelang es ihnen beiden, zurück in ihre Körper zu gelangen. Nakeshi erlangte für einen Augenblick das Bewusstsein. Sie lächelte ihrem ebenfalls geschwächten Vater dankbar zu. Dann fiel sie in einen heilenden Schlaf.
    Im gleichen Augenblick erlangte Kantla zum ersten Mal wieder sein Bewusstsein.

Wiedersehen

    »Hoooh!«
    Fritz van Houten zügelte mit der gesunden rechten Hand sein Pferd und gab Jakob, seinem Treckführer, das Zeichen, die Ochsenkarren zu stoppen. Das laute Rattern der Räder verstummte im knirschenden Sand. Einer der Ochsen brüllte dankbar für die kleine Rast. Aufmerksam lauschte der Anführer des kleinen Ochsentrecks nach auffälligen Geräuschen. Sein in der Wildnis Afrikas jahrelang entwickelter Instinkt sagte ihm, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Geier kreisten über der kleinen Felsgruppe, in deren Mitte es eine Wasserstelle gab. Ansonsten herrschte hier eine unnatürliche Stille. Keine Antilope, kein Stachelschwein, kein Erdmännchen ging seinen gewöhnlichen Beschäftigungen nach. Etwas hatte ihre normale Geschäftigkeit gestört. Die heiße Luft des Nachmittags legte sich wie ein flirrendes Band über den Horizont, vor dem sich die Felsgruppe auftürmte.
    »Das könnte ein Hinterhalt sein«, murmelte er in seine schwarzen Bartstoppeln. Vorsichtshalber ließ er Jakob und die anderen dunkelhäutigen Treckbegleiter die Ochsenkarren zu einer Wagenburg aufstellen und teilte Gewehre aus.
    »Ihr bleibt hier und bewacht die Waren«, befahl er. »Ich gehe mal nachsehen.«
    »Soll ich mitkommen, Deutji?«, bot sich Jakob in fast akzentfreiem Deutsch an. Fritz sah seinen hoch gewachsenen Treckführer dankbar an. Er kannte den sehr dunkelhäutigen Damarra erst seit
kurzer Zeit, doch er vertraute ihm blind. »Nein. Mir ist lieber, du übernimmst hier das Kommando. Wenn das wirklich ein Überfall werden sollte, dann brauchen wir hier jeden Mann. Ich werde nachsehen, ob die Wasserstelle sicher ist. Wartet hier auf meine Rückkehr.«
    Er gab dem Pferd die Sporen und galoppierte davon. Fritz war ein Einzelgänger, der die Dinge gern in die Hand nahm. In Okakarara, wo seine Mutter einen Store unterhielt, hielt man ihn gar für einen exzentrischen Sonderling. Er interessiere sich zu sehr für die Schwarzen und die Wildtiere, munkelte man. Er behandle sie wie Seinesgleichen, anstatt den ungebildeten Wilden zu zeigen, wie das Leben zu funktionieren hatte.
    Als er sich den Felsen auf etwa dreihundert Metern genähert hatte, verlangsamte er den Schritt seines Reittiers. Er wollte vermeiden, dass eine Sandwolke mögliche Angreifer auf sich aufmerksam machte. In einem weiten Bogen umritt er die Formation und näherte sich ihr vorsichtig von hinten.
     
    Der Anblick, der sich ihm bot, war grässlich. Umgestürzte Ochsenkarren, zerfetzte Stoffballen, aufgebrochene leere Holzkisten, zertretenes Glas, aus dem Koffer gerissene Frauenkleider, eine kaputte Schreibmaschine, ein Chaos ohne Ende. Dazwischen drei tote Männer. Ein Schwarzer mit einem Brandmal im Gesicht machte Fritz sofort klar, wer den Überfall getätigt hatte. Es musste eine Bande aufrührerischer Hereros gewesen sein. Es war typisch für sie, dass sie einen der ihren auf diese Weise bestraften, nur weil er für die Weißen gearbeitet hatte. Bei den anderen beiden Toten handelte es sich um Weiße, Händler wie er. Ihre Körper lagen seltsam verrenkt im Sand. Sie sahen aus wie gelenklose Gliederpuppen und waren bereits zum Teil verstümmelt. Aasvögel hatten ganze Arbeit geleistet. Leere, ausgerupfte Augenhöhlen starrten an Fritz vorbei, während von Schnäbeln zerfetzte Münder
ihn scheinbar angrinsten. Würgend wandte sich Fritz ab. An den Anblick von Toten würde er sich nie gewöhnen können. Er bestieg hastig sein Pferd, um die Schlucht durch den vorderen Ausgang zu verlassen. Da entdeckte er die Spur. Sie gehörte eindeutig zu einem Paar Frauenstiefeln und führte weg vom Ort des schrecklichen Geschehens mitten hinein in die Wüste. Gab es etwa eine Überlebende?
    Fritz’ Kiefermuskeln bewegten sich angespannt hin und her. Er dachte nach. Einerseits war die Wahrscheinlichkeit, die Überlebende zu

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