Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari
standesamtlichen Einträgen über den Tisch. Ein angenehmer Wind strich durch das geöffnete Fenster im Büro des Distriktchefs von Grootfontein. Die Räumlichkeiten lagen im Parterre des weiß getünchten Forts, das die Schutztruppen 1896 auf einer kleinen Anhöhe oberhalb des Ortes errichtet hatten. Außer den fünfundzwanzig Schutztruppensoldaten war in dem Fort die gesamte Kolonialverwaltung des Distrikts untergebracht.
Fritz hatte sich nach langen Überlegungen hierher aufgemacht, um Nachforschungen anzustellen. Er wusste zwar nicht, welchen Erfolg ihm das hinsichtlich Jellas Zuneigung bescheren würde, aber er wollte keine Möglichkeit verstreichen lassen, um sie von seiner aufrichtigen Liebe zu überzeugen. Er dachte nicht daran, Jella aufzugeben. Wenn es auch nur die geringste Chance gab, dann wollte er sie nutzen. Vor allem wollte er verhindern, dass sie voreilig abreiste. Sein Ansatzpunkt war Owitambe . Er hatte das unbestimmte Gefühl, dass dort so Einiges nicht in Ordnung war. Diese Lucie war ihm bei seinen Besuchen äußerst suspekt erschienen. Die Rolle der trauernden Witwe spielte sie nur sehr unzureichend. Seiner Meinung nach hatte sie sich mehr als merkwürdig verhalten. Außerdem schien sie so gar nicht zu dem gewissenhaften Sonthofen zu passen. Der Farmer war bekannt dafür, dass er seine schwarzen Arbeiter fair und gerecht behandelte Vielen Weißen war er deshalb ein Dorn im Auge, weil er in ihren Augen viel zu sehr mit den Schwarzen fraternisierte. Ganz im Gegensatz zu ihm hatte Lucie nie einen Hehl daraus gemacht, wie sehr sie die Schwarzen verachtete. Das passte nicht zu Sonthofens Lebensphilosophie. Außerdem war da noch diese Himbafrau, mit der Johannes angeblich ein Kind hatte. Fritz war sich sicher, dass an dem Gerücht etwas dran war. Er hatte die Frau und den Jungen ja selber gesehen. Der kleine Junge war ungewöhnlich hellhäutig und hatte leicht rötliche Haare. Sonthofen war nicht der Mann, der eine Scheinehe mit einer Weißen einging, nur damit das Gerede unter den Farmern aufhörte.
Im Nachhinein hätte sich Fritz ohrfeigen können, dass er Jella nach ihrer leidenschaftlichen Nacht so voreilig und ungeschickt mit seinen Heiratsabsichten überfahren hatte. Seine Gefühle zu dieser Frau hatten ihn einfach überwältigt. Er hätte wissen müssen, dass er sie damit überforderte. Jella war ein freiheitsliebender Mensch, der sich nicht so einfach anbinden ließ. Die Schrecken
ihrer schlimmen Erfahrungen hatten sie immer noch fest im Griff. Das alles hatte er gewusst und doch anders gehandelt. Durch sein Drängen hatte er vielleicht alles zerstört.
Fritz stieß einen leisen Seufzer aus, bevor er sich weiter an die Liste mit den Frauennamen machte. Dummerweise hatte er keine Ahnung, wie Lucies Mädchenname lautete, und musste deshalb alle Posten überfliegen. Immerhin besaß sie keinen gewöhnlichen deutschen Vornamen wie Ilse oder Maria. Hatte Jella nicht erwähnt, dass sie Engländerin war? Er achtete verstärkt auf nichtdeutsche Einträge. Erst kürzlich hatten sich fünfundzwanzig burische Familien in Grootfontein niedergelassen. Aber auch unter den Buren schien der Name Lucie nicht üblich zu sein. Außer einer Lucia Vanderbeeke fand er keinen vergleichbaren Namen. Fritz reichte die Mappe enttäuscht zurück. Er wusste nicht einmal, wonach er gesucht hatte. Immerhin bestätigte das Fehlen eines Heiratsvermerks seinen Verdacht.
»Darf ich fragen, wozu Sie die Urkunde einsehen wollten?«, fragte Volkmann interessiert.
Fritz erklärte ihm kurz die Sachlage und verschwieg auch nicht, dass ihm und auch seiner Mutter sowohl die Hochzeit Sonthofens sowie dessen schneller Tod im Nachhinein äußerst verdächtig vorkamen.
»Sie vermuten also einen Kriminalfall?« Der Distriktchef horchte auf.
»Ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht«, gestand Fritz. »Es ist nur so ein Gefühl. Wahrscheinlich höre ich das Gras wachsen, wo nur öde Wüste ist.«
Volkmann setzte seine randlose Brille ab und legte sie vor sich auf den Schreibtisch.
»Ich habe von diesem Sonthofen gehört«, meinte er. »Er ist weit über seine Gegend hinaus bekannt, weil er ein ziemlicher Negerfreund und Eigenbrötler gewesen sein soll. Das hat ihm unter
seinen Nachbarn nicht nur Freunde eingebracht. Leider weiß ich nichts Näheres über ihn. Seine Farm gehört nicht in meinen Distrikt. Haben Sie schon mal daran gedacht, in Otjiwarongo nachzusehen? Es liegt nahe, dass die beiden dort geheiratet haben.«
Fritz
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