Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari
rührte sich nicht. Stattdessen sah sie Lucie fest in die Augen. Doch ihre Gegnerin ließ sich nicht beeindrucken. Sie stieß ihr die Spitze ihres Stiefels kräftig gegen das Wadenbein. Jella stieß einen Schmerzschrei aus.
»Los, her damit!«, forderte sie noch einmal. Zögernd reichte Jella ihr den Beutel mit den Diamanten. Sie immer im Auge behaltend öffnete Lucie das Ledersäckchen und warf einen Blick hinein. Ihre Augen weiteten sich und bekamen einen gierigen Glanz.
»Sieh einmal einer an.«
Sie stieß einen tiefen Seufzer der Befriedigung aus. »Nach diesen Steinchen suchen wir schon seit Wochen. Du wolltest sie doch nicht etwa stehlen?«
Lucie lachte über ihren vermeintlichen Witz, warf Jella einen kurzen Blick zu und ließ sich dann gleich wieder von den Diamanten in den Bann ziehen. Jella schnaubte innerlich vor Wut und Empörung. Gleichzeitig erkannte sie auch die Gefahr. Lucie würde nun nicht mehr zögern, sie möglichst schnell aus dem Weg zu räumen. Sie musste einen Weg finden, zu entkommen. Ihre Gegnerin konnte den Blick kaum von den Steinen lösen. Jella beobachtete jede ihrer Bewegungen, vor allem den Lauf des Revolvers, der immer noch schussbereit auf sie gerichtet war. Die Diebin schüttete die Edelsteine auf ihre Hand und ließ sich fasziniert von ihrem Glitzern und ihrer Klarheit einfangen. Die Steine waren wunderschön, obwohl sie noch roh und ungeschliffen waren. Von ihnen ging eine Leuchtkraft aus, die sich sogar in den gierigen Augen der Verbrecherin widerspiegelte. Lucie war fasziniert. Diesen Augenblick der Unachtsamkeit nutzte Jella. Sie schlug Lucie mit einer raschen Bewegung den Revolver aus der Hand, schubste sie beiseite und floh durch die Tür. Noch einmal nahm sie den Hinterausgang und stürmte ins Dunkle. Jella überlegte, wohin sie sich wenden sollte, und beschloss, ihr Heil in der Wildnis zu suchen. Dazu musste sie erst an den Stallungen vorbei. Schon hörte sie Lucies Schritte hinter sich. Ihre Verfolgerin rief lauthals nach Grünwald. Jella achtete darauf, immer im Schatten der Gebäude zu bleiben. Die Dunkelheit bot ihr Schutz, und Lucie konnte nicht auf sie zielen. Außerdem war Jella aufgrund ihrer langen Beine eindeutig schneller als ihre kurzbeinige Verfolgerin. Sie hatte die Scheunengebäude fast erreicht, rannte an ihnen entlang bis zu ihrem Ende, um schließlich in der Dunkelheit der Savanne zu verschwinden. Das Ziel schon vor Augen, stellte sich ihr Grünwald in den Weg. Er hatte ihren Fluchtweg vorausgesehen und war aus dem Schatten der Scheune getreten. Jella bemerkte ihn zu spät und stieß frontal mit ihm zusammen. Mit eisernem Griff umfasste er ihren linken Oberarm und versuchte, sie in seine
Gewalt zu bekommen. Doch Jella war nicht bereit, sich so leicht geschlagen zu geben. Mit ihrer freien Hand fuhr sie hoch und zog ihre Fingernägel quer über Grünwalds Gesicht.
»Verdammtes Biest!«
Vor Schmerz aufjaulend ließ er sie kurz los. Sie machte auf dem Absatz kehrt und versuchte im Schatten der Gebäude unterzutauchen. In diesem Augenblick fühlte sie einen dumpfen Schlag auf ihrem Hinterkopf. Sie spürte einen leisen Schwindel und eine ungewohnte Benommenheit, die ihren Blick trübte. Langsam drehte sie sich um. Sie musste blinzeln, bevor sie verschwommen das triumphierende Gesicht Lucies erkannte. Beim nächsten Schlag hatte sie das Gefühl, dass ihr Kopf wie eine reife Melone zerplatzte. Die Umgebung verlor noch mehr an Konturen. Alles stob blitzartig auseinander, bevor sie in einen Sog endloser Dunkelheit gezogen wurde.
Grootfontein
»Und Sie sind sicher, dass sich keinerlei Urkunden bezüglich besagter Heirat bei Ihren Unterlagen befinden?«
»Vollkommen. Eine Eheschließung zwischen einer Lucie und dem Farmer Johannes von Sonthofen aus Owitambe hat hier in Grootfontein nie stattgefunden.«
»Merkwürdig.« Fritz strich sich mit seiner gesunden Hand nachdenklich über sein glatt rasiertes Kinn. »Fräulein von Sonthofen war sich ganz sicher, dass die Heirat zu diesem Zeitpunkt stattgefunden haben muss.«
»Bedaure sehr, Ihnen nicht weiterhelfen zu können«,
Volkmann blätterte nochmals die Unterlagen durch. Sie waren alphabetisch geordnet, die Ehemänner wurden immer zuerst genannt. »Ein Johannes von Sonthofen ist eindeutig nicht darunter.«
Fritz hatte noch eine Idee. »Erlauben Sie, dass ich mir die Frauennamen durchsehe?«, fragte er höflich.
»Wenn Sie glauben, dass es Ihnen weiterhilft.«
Volkmann reichte ihm die Mappe mit den
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