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Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari

Titel: Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Mennen
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seine Schulter. Sie lächelte immer noch, und doch erkannte er in ihren Augen auch große Sorge. Er wollte nicht, dass sie ging.
    »Wer bist du?« Seine Stimme klang wie ein Flehen. Er fühlte sich einsam und verloren - wie ein dicker Baum, den man mit Gewalt aus der Erde gerissen hatte und dessen Wurzeln jetzt hilflos und ohne Nahrung in die flirrende Hitze ragten, um zu vertrocknen.
    »Sie nennen mich Nakeshi«, sagte das Mädchen. »Ruh dich aus, du bist noch zu schwach.«
    »Ich kann später schlafen. Erzähl mir von dir und deinen Leuten.«
    Nakeshi ließ sich nicht darauf ein.
    »Hier bist du in Sicherheit. Meine Leute und ich werden für dich sorgen - und wenn du kräftiger bist, werde ich dir von uns erzählen. Und dann kannst du entscheiden, wohin du willst.«
    »Wo ist mein Zuhause?«
    Nakeshi sah ihn irritiert an.
    »Zuhause?«
    Sie verstand offensichtlich nicht die Bedeutung seiner Worte. Er suchte nach einem anderen Wort für Zuhause.
    »Wo sind meine Leute?«, setzte er nach.
    Nakeshi sah ihn seltsam an.
    »Du wirst sie finden, wenn es an der Zeit ist.«
    Sie ließ sich nicht länger aufhalten und verschwand wie eine Gazelle in der Öffnung der Hütte.
    Er ließ sich auf sein Lager sinken. Der hämmernde Schmerz kehrte wieder zurück, und damit trübten sich auch seine Gedanken wieder ein.
    »Kantla, ich bin Kantla«.
    Das Wort »Kantla« schwirrte wie ein Bienenschwarm in seinem Kopf herum und machte ihn ganz verrückt. »Kantla«, summte es immer wieder. »Ich bin Kantla«.
    »Ich bin nicht Kantla«, schluchzte er plötzlich in großer Verzweiflung
auf. Alles war falsch und ganz bestimmt nicht so, wie es sein sollte. Er musste wissen, wer er war. Mit äußerster Anstrengung richtete er sich halb auf, um aufzustehen und die Hütte zu verlassen. Er war halb auf den Knien, als ihn seine Kraft verließ und er erneut in einer erlösenden Bewusstlosigkeit versank.
     
    Als er das nächste Mal zu sich kam, befand er sich unter einem riesigen Baum. Dessen grünes Blätterdach verbreitete angenehme Kühle. Die Buschmänner hatten ihn aus der stickigen Luft der verdorrten Laubhütte herausgeholt und auf Antilopenleder gebettet. Neben ihm kauerte ein alter, grauhaariger Mann. Sein Gesicht war von Tausenden von Fältchen durchzogen, die ihm das Aussehen eines lächelnden, weisen Äffchens verliehen. Seine mandelförmigen Augen sahen ihn aufmerksam an und beobachteten jede seiner Regungen. Irgendwie kam ihm das freundliche Gesicht bekannt vor, aber er konnte es nirgendwo einordnen. Dieses Mal kam er mit seiner Orientierungslosigkeit besser zurecht. Sie schmerzte ihn nicht mehr so sehr wie beim ersten Mal, sondern war bereits zu etwas Vertrautem geworden. Er konnte sich jetzt sogar mit dem Namen Kantla anfreunden.
    Sobald der Alte bemerkte, dass er einigermaßen bei Besinnung war, begann er mit ihm zu reden. Kantla wunderte sich erneut, dass er die Sprache der Buschmänner recht ordentlich verstand, auch wenn er längst erkannt hatte, dass er keiner von ihnen war.
    Der Alte murmelte vor sich hin, ohne ihn anzusehen. Er erzählte von einer langen Reise, die er seinetwegen unternommen habe. In ausschweifenden Worten berichtete er von seinen Erlebnissen. Um sie ihm zu verdeutlichen, erhob er sich und spielte ihm eine Pantomime vor. In aussagekräftigen Gesten und einer eindrucksvollen Mimik stellte er alles dar, was er auf seiner abenteuerlichen Reise erlebt hatte. Kantla erfuhr, dass der Alte in einen Sandsturm geraten war und beinahe erstickt wäre, hätte er nicht Zuflucht im
Bau eines Tieres gefunden. Selbst die Angst, die er dabei empfunden hatte, spielte er ihm vor. Vieles verstand Kantla auch nicht. Der Alte erzählte von einer Höhle im Bauch der Erde und von Geistern, mit denen er um die Tränen der Erde gerungen hätte.
    Was sollte das Gerede - und vor allem, was hatte es mit ihm zu tun?
    Kantla ermüdeten die Erzählungen des Alten, und er gab ihm erschöpft ein Zeichen, damit aufzuhören. Der Alte nickte einsichtig und hockte sich wieder neben ihn. Seine Augen huschten abermals prüfend über den Kranken.
    »Meine Erzählungen reichen nicht aus, um dich wieder gesund werden zu lassen«, meinte er bekümmert. »Ich werde die Magie der Tränensteine einsetzen müssen.«
    Seine knotigen Finger kramten in seiner lederweichen Umhängetasche, bis sie gefunden hatten, wonach er gesucht hatte.
    »Nur ein Teil von dir ist in unsere Welt zurückgekehrt«, erklärte er Kantla. »Nakeshi hat mit deinen Ahnen um dich

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