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Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari

Titel: Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Mennen
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Kaffee mehr bekommen. Der Zichorienaufguss, den man ihnen auf dem Zwischendeck anbot, hatte kaum die Bezeichnung Kaffee verdient.
    »Nehmen Sie es als Entschuldigung, falls ich Sie vorhin beleidigt habe«, meinte der Fremde und schenkte ihr ein gewinnendes Lächeln. Jella nippte schnell an dem heißen Getränk, um ihre Verlegenheit zu überspielen. Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete sie ihr Gegenüber. Der fremde Passagier, der sich als Bure ausgegeben hatte, war groß gewachsen. Bestimmt überragte er selbst sie noch um einen Kopf. Seine markanten Gesichtszüge wurden durch eine gerade Nase und einen schmalen Mund mit einem energischen Kinn geprägt. Eine dünne weiße Narbe zog sich quer über seine linke Wange, was ihm einen abenteuerlichen Anstrich verlieh.
    »Wenn Sie mir gestatten, würde ich mich gern vorstellen«, setzte er nun an. »Mein Name ist Fritz van Houten. Ich bin südafrikanischer Kaufmann und lebe seit einiger Zeit in Deutsch-Südwestafrika. Meine Mutter und ich führen dort einen Store, einen Laden, in dem man alles, was man in Afrika so braucht, kaufen kann.«
    Höflich zog er seinen Hut und deutete eine kurze Verneigung an. Jella musste unwillkürlich schmunzeln. Die steife Geste stand in starkem Kontrast zu der lockeren Art, in der er ihr gerade den Kaffee überreicht hatte.
    »Nun lassen Sie es mal gut sein«, meinte sie aufgeräumt. »Ich bin ja gar nicht beleidigt.«
    Fritz grinste schelmisch.
    »Da bin ich aber erleichtert.«
    Er setzte sich etwas bequemer auf dem Liegestuhl zurecht.

    »Darf ich fragen, was Sie in Deutsch-Südwest machen?«
    Jella berichtete kurz, dass sie auf dem Weg zu ihrem Vater sei. Sie erweckte dabei absichtlich den Anschein, als würde sie in Svakopmund von ihm erwartet werden. Bei aller Freundlichkeit und Sympathie, die sie für den Mann empfand, schien es ihr nicht angebracht, ihm gegenüber ihre Lebensgeschichte auszubreiten. Um das Thema zu wechseln, fragte sie van Houten, was der Kru denn von ihm gewollt hatte.
    Van Houten verzog seinen Mund.
    »Einer der Matrosen muss Josuah verraten haben, dass ich einige Fässer Rum als Fracht mitführe. Auf jeden Fall wollte er, dass ich ihm etwas davon überlasse. Ich habe es natürlich abgelehnt.«
    »Darf ich fragen, warum? Soviel ich weiß, haben Sie anderen Passagieren sehr wohl schon die eine oder andere Flasche verkauft.« Jella musterte van Houten skeptisch. »Der Grund liegt doch nicht etwa darin, dass er schwarz und in Ihren Augen minderwertig ist?«
    Sie hatte schon mehrmals in den letzten Wochen beobachtet, wie abfällig viele ihrer Mitreisenden über die Schwarzen gesprochen hatten.
    Fritz hob abwehrend die rechte Hand. Erst jetzt fiel Jella auf, dass er seine linke Hand nie benutzte. Bei näherem Hinsehen entdeckte sie, dass der linke Jackenärmel lose in die Seitentasche gesteckt war. Peinlich berührt, wandte sie sich schnell ab.
    »Wo denken Sie hin?«, verteidigte sich van Houten. »Ich glaube kaum, dass Gott bei der Erschaffung der Menschen die dunkelhäutigen als minderwertiger erschaffen hat. Ich wollte den Kru keinen zusätzlichen Alkohol verkaufen, weil mich der Kapitän darum gebeten hat. Er ist der Meinung, dass die tägliche Ration, die sie ohnehin bekommen, völlig ausreichend ist. Wenn die Jungs zu viel Alkohol abbekommen, können sie ganz schön ungemütlich werden.«

    Jella zog erleichtert die Augenbrauen hoch.
    »Das Gleiche sollte aber wohl auch für die weißen Passagiere gelten!«
    Van Houten zuckte mit den Schultern, dann warf er einen kurzen Blick auf seine Taschenuhr und erhob sich dann von seinem Liegestuhl. Er musterte Jella noch einmal mit seinem eindringlichen Blick und meinte abschließend:
    »In Afrika ist vieles ganz anders als in Europa. Das werden Sie wohl bald am eigenen Leib erfahren. Vieles, was Sie bislang für richtig erachtet haben, werden Sie dort über Bord werfen müssen. Ich möchte nicht ein weiteres Mal als unhöflich erscheinen, aber ich muss mit dem Kapitän noch die Einzelheiten mit dem Löschen meiner Fracht besprechen. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen.«
    Er tippte mit seiner gesunden Hand kurz an die Krempe seines Strohhuts und ging davon.
    Jella kam sich ein weiteres Mal an diesem Tag wie ein dummes Kind vor.

Fremde Welt

    Am 23. August 1903, nach genau dreißig Tagen Schiffsreise, näherte sich die Hans Woermann Svakopmund. Die deutsche Stadt verfügte über keinen eigenen Seehafen. Es gab zwar in der etwa dreißig Kilometer südlich

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