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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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blauen See. Für die Einwohner erwies die Insel sich eher als ständige Herausforderung. Man lebte primitiv auf Lemnos. Die ANZAC-Soldaten blickten fasziniert und ob der Armut oft auch peinlich berührt auf die primitiven Steinhäuser, die von Ochsen gezogenen, steinzeitlichen Holzpflüge und die Menschen, die sich zum Teil noch in Schaffelle hüllten und entweder barfuß über ihr steiniges Land zogen oder die Füße mit rauen Sandalen aus Schafleder schützten. Der Hafen der Insel war allerdings angefüllt mit modernster Kriegstechnologie. Allein zwanzig Schlachtschiffe lagen hier vor Anker, unter anderem die riesige 
Agamemnon
 und die gewaltige 
Queen Elizabeth
. Die Männer hatten allerdings kaum Zeit, den Anblick auf sich wirken zu lassen. Ihre Truppentransporter legten vor unterschiedlichen Stränden an und übten das Ausschiffen der Truppen in voller Kampfausrüstung. Die Männer wurden an Strickleitern heruntergelassen und ruderten an Land, teilweise bei Nacht und möglichst lautlos. Das Manöver schien der Heeresführung wichtig zu sein; es wurde eine Woche lang immer wieder trainiert.
    »An sich ist das ja nicht schwer«, meinte Roly am vierten Tag, als die Gruppe einen sehr schmalen Strand ansteuerte, von dem hohe Klippen aufragten. »Aber was ist, wenn sie von Land aus schießen?«
    »Ach, das trauen die sich gar nicht!«, behauptete Greg. »Mit all den Kriegsschiffen hinter uns. Die geben uns doch Deckung.«
    »Wenn sie uns mal nicht selbst treffen«, bemerkte Jack pessimistisch. Er teilte Rolys Befürchtungen. Gänzlich kampflos würden die Türken ihren Strand sicher nicht aufgeben und ihre Stadt schon gar nicht. Und hatte Beeston nicht etwas von »Felsenkaff« gesagt? Womöglich saßen die Verteidiger in sicheren Stellungen und schossen von irgendwelchen Klippen auf sie hinunter.
    »Ach, wenn die Türken genau solche Höhlenmenschen sind wie die Kaffern hier in Lemnos, dann sollen sie wohl nicht viel zustande kriegen!«, höhnte Bobby sorglos. »Wir hätten vielleicht ein paar Kriegskeulen von den Maoris mitbringen sollen. Dann wär’s ein bisschen ausgeglichener.«
    Jack zog die Augenbrauen hoch. Nach dem, was er gesehen hatte, waren auch die Griechen auf Lemnos fähig, ein Gewehr zu bedienen. Sie mochten sich in Felle kleiden, aber sie hatten scharfe Augen, und um einen Abzug zu ziehen, brauchte man nicht allzu viel Zivilisation.
    Sie könnte sogar hinderlich sein, dachte Jack. Ihm persönlich graute davor, demnächst auf Menschen zu schießen.
     
    Am 24. April 1915 war es dann so weit. Die Flotte legte ab, angeführt von der 
Queen Elizabeth
, von den Männern liebevoll »Lizzie« genannt. Noch einmal versammelten sich die Männer an Deck. Voller Stolz auf ihren Konvoi ließen sie Lemnos hinter sich.
    »Ist das nicht wundervoll, Mr. Jack?« Roly wusste kaum, wo er zuerst hinsehen sollte. Auf die majestätischen Schiffe um ihn herum oder die sonnenüberfluteten Küsten von Lemnos.
    »Nur ›Jack‹«, verbesserte Jack mechanisch. Er teilte die Begeisterung seiner Kameraden nur begrenzt. Natürlich war die Flotte ein glorioser Anblick, aber er konnte den Gedanken nicht abwehren, dass sie ihre menschliche Fracht in den Tod fuhr. Am vorherigen Abend – nach einer heroischen Ansprache von General Birdwood an die gesamte Truppe – hatte Lieutenant Keeler seine Gruppenführer zur Lagebesprechung zusammengerufen. Jack kannte jetzt den Einsatzplan und hatte Karten der Küste von Gallipoli gesehen. Die Landung an diesem Strand würde höllisch werden – und Jack war nicht der Einzige, der so fühlte. Auch in den Gesichtern der zum Teil kampferprobten englischen Offiziere spiegelte sich die Angst.
    Das Schiff mit Jacks Mannschaft war eines der letzten, die in Gallipoli einliefen. Sie fuhren zum Teil bei Nacht, und als der Morgen graute, fanden sie sich in einer Ansammlung von Schiffen in der Bucht von Gaba Tepe. Die Boote mit den ersten Landetrupps wurden eben bemannt. Männer warteten an Deck der Truppentransporter, um auf Zerstörer umgeladen zu werden. Diese kleinen, schnellen Kriegsschiffe verdrängten wenig Wasser und konnten die Truppen näher an den Strand bringen. Jeder von ihnen zog zwölf Rettungsboote in zwei Reihen, darin jeweils sechs Soldaten und fünf Seeleute. Letztere sollten das Boot zurück zum Schiff rudern, wenn sie ihre menschliche Fracht am Strand entladen hatten.
    Die ersten Landetrupps bestanden ausschließlich aus Australiern – Jack erkannte, dass man die jüngsten

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