Der Ruf der Kiwis
seinen eigenen Salonwagen zur Verfügung. Das Luxusgefährt wurde an den regulären Zug angehängt, und die Hochzeitsreisenden konnten die Fahrt in Plüschsesseln oder sogar im Bett genießen, Champagner trinkend. Jack machte sich nicht viel daraus; nach wie vor ritt er lieber, als Bahn zu fahren, und ein gemeinsames Lager unter dem Sternenhimmel hätte er romantischer gefunden als das rollende Bett. Aber Charlotte war begeistert, also spielte er mit.
Weniger begeistert zeigten sich Tim und Elaine Lambert.
»Du willst wirklich Florence Biller einladen?«, meinte Tim entsetzt. »Deine angeheiratete Tante in allen Ehren, aber das ist zu viel!«
»Charlotte möchte Caleb Biller kennen lernen«, begütigte Elaine. »Und ich kann ihn wohl kaum allein zum Dinner bitten. Wie sähe das aus? Wir werden einfach einen Abend lang nett sein und über ... worüber redet man denn sonst mit Florence, wenn nicht über Bergbau?«
Tim zuckte die Schultern. »Vielleicht versuchst du es mit dem, worüber Frauen gewöhnlich reden. Familie? Kinder?«
Elaine kicherte. »Ich weiß nicht, ob man da zu tief schürfen sollte. Ist sie nicht gerade wieder schwanger und hat den hübschen Sekretär nach Westport weggelobt?«
Tim grinste. »Ein sehr interessantes Thema. Vielleicht schaffst du es ja, dass sie errötet. Ist das schon mal jemandem gelungen?« Er faltete seine Serviette zusammen. Die Lamberts hatten eben das gemeinsame Abendessen beendet, und den Kindern fielen schon die Augen zu. Es war ungewohnt, nur noch die Kleinen am Tisch zu haben und nicht mehr so sehr auf seine Worte achten zu müssen. Mit der aufgeweckten Lilian am Tisch hätte Elaine die Sache mit Florence Billers Kindern vorsichtiger formuliert.
»Wahrscheinlich Caleb, als er ihr reinen Wein einschenkte. Ob er tatsächlich die Worte ›warmer Bruder‹ gebraucht hat?«
»Lainie!« Tim musste lachen. Tatsächlich hatte Caleb diesen Begriff verwandt, als er Kura-maro-tini vor Jahren seine Veranlagung gestand. Er hatte nicht wirklich heiraten wollen, aber den Mut, ein freies Dasein als Künstler zu wählen und seine Wünsche irgendwann einfach auszuleben, hatte er dann doch nicht gehabt. Letztendlich war es zu der Ehe mit Florence gekommen, in der anscheinend beide Teile halbwegs zufrieden waren.
»Wir laden die Kinder einfach mit ein«, meinte Elaine schließlich. »Zumindest die beiden Ältesten. Dann bleiben sie nicht lange, und im Notfall plaudern wir über englische Internate. Benjamin ist doch ungefähr in Lilys Alter, nicht?«
Tim nickte. »Er soll dieses Jahr nach Cambridge. Gute Idee. Und wenn gar nichts mehr geht, reden wir über Schafzucht. Jack kann darüber sicher stundenlang dozieren, und ich wette, das ist ein Thema, bei dem Florence nicht das letzte Wort hat.«
Tim Lambert war eigentlich entschlossen gewesen, Jacks junge Frau Charlotte nicht sonderlich zu mögen – schon deshalb, weil sie ihm ein Treffen mit Florence Biller aufzwang. Aber dann eroberte die junge Frau sein Herz ebenso im Sturm wie Elaines und das der kleinen Jungen. Charlotte gelang es, Tims Behinderung nicht direkt zu »übersehen«, aber ganz unbefangen mit ihm umzugehen. Sie lachte mit Elaine und fand in ihr ein weiteres, aufgeschlossenes Publikum für ihre Abenteuer als Suffragette. Mit den Jungs spielte sie nicht nur begeistert Eisenbahn, sondern brachte ihnen auch ein Sortiment von einfachen Maori-Instrumenten mit und erzählte Geschichten von
haka
, die sofort lautstark nachgespielt wurden.
»Ich schätze, Kura-maro-tini hat von der Horde keine Konkurrenz zu fürchten!« Elaine lachte und hielt sich die Ohren zu. »Auch dann nicht, wenn Lilian noch dabei wäre und Klavier spielte. Meine Brut hat durchweg die eher unterentwickelte Musikalität der Lamberts geerbt.«
»Wie geht es denn Lilian? Schreibt sie?« Jack nutzte die Gelegenheit, eine ihn seit langem drängende Frage zu stellen. Obwohl ihn die Ehe und die Arbeit auf der Farm mehr als ausfüllten, machte er sich doch Sorgen um Gloria. Die Briefe, die in regelmäßigen Abständen von ihr eintrafen, irritierten ihn eher, als ihn in Sicherheit zu wiegen, dass es ihr gut ging. Gwyneira und James mochten sich davon beruhigen lassen, dass Gloria nüchtern von Musikstunden, Leserunden im Garten und sommerlichen Picknicks am Ufer des Cam berichtete, aber für Jack klang das alles nichtssagend. Er fand nichts von Glorias Persönlichkeit in diesen Briefen. Es war fast, als hätte jemand anders sie verfasst.
Elaine nickte
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