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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Barrington, einem noch jungen, aber schon über die Grenzen Christchurchs hinaus bekannten Internisten. Elizabeth hatte ihn auf ihr Bitten für sie anberaumt, und am Tag zuvor war sie mit Jack aus Kiward Station in die Stadt gekommen. Die beiden hatten im Haus ihrer Eltern übernachtet, eng aneinandergeschmiegt in der gemeinsamen Sorge, die sie doch nicht miteinander teilen wollten. Einer von ihnen tat unbeschwerter als der andere. Jetzt aber zeigte Jack Beunruhigung. Die Nachricht vom Kriegsausbruch in Europa schien ihn zumindest kurzfristig auf andere Gedanken zu bringen. Seinen Tee ließ er kalt werden. Das Frühstück schien ihm nicht mehr zu schmecken.
    »Österreich-Ungarn hat Serbien den Krieg erklärt«, antwortete er auf Elizabeth’ Frage. »Das heißt, das Deutsche Reich ist ebenfalls betroffen. Angeblich machen sie schon mobil. Und Russland ist mit Serbien verbündet, Frankreich mit Russland ...«
    Elizabeth zuckte die Schultern. »Na, wenigstens hat England nichts damit zu tun«, bemerkte sie erleichtert. »Schlimm genug, wenn die anderen sich die Köpfe einschlagen.«
    Jack schüttelte den Kopf. »George sieht das anders«, meinte er. »Wir haben neulich erst darüber gesprochen. Großbritannien hat Verträge mit Frankreich und Russland. Vielleicht wird es sich in der ersten Zeit heraushalten. Aber auf die Dauer ...«
    »Wird es denn ein langer Krieg?« Charlotte war nicht wirklich interessiert, aber sie hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen. Alles war besser als schweigend zu warten, bis es Zeit zur Abfahrt war.
    Jack zuckte die Achseln, streichelte aber beruhigend über ihre Hand. »Keine Ahnung. Ich weiß nichts vom Krieg, Liebes. Aber bis hierher wird er kaum dringen. Mach dir keine Sorgen.«
    Charlotte wandte ihm ihr gequältes Gesicht zu. Die Lage in Europa war zurzeit das Letzte, worum sie sich sorgte.
    »Wann müsst ihr bei Dr. Barrington sein?«, erkundigte sich Elizabeth. »Er wird dir gefallen, Charlotte, ein reizender junger Mann! Wir sind übrigens mit seinem Vater auf dem gleichen Schiff nach Neuseeland gekommen. Du kennst die Barringtons doch auch, nicht wahr, Jack? Damals nannten wir sie noch Lord und Lady. Aber der junge Viscount hat den Titel als Erster unter den Tisch fallen lassen. Das war ein schneidiger junger Mann damals. Ein bisschen verschossen in Gwyneira Silkham. Und unsere Daphne konnte nicht die Augen von ihm lassen ...«
    Charlotte und Jack hörten geduldig zu, während Elizabeth weitere Geschichten ihrer Einwanderung erzählte. Für sie war ihre fast gewaltsame Verschiffung in ein neues Land das Wunder ihres Lebens gewesen. Als verlorenes, chancenloses Kind aus einem Londoner Waisenhaus war sie als Hausmädchen nach Neuseeland geschickt worden. Eigentlich noch viel zu jung, um in Stellung zu gehen und vor allem so unbedarft, dass kein Londoner Haushalt sie hätte haben wollen. Doch dann hatte sich erst Helen O’Keefe ihrer angenommen, und obendrein entpuppte sich Elizabeth’ »Herrschaft« als freundliche alte Dame, die eher eine Gesellschafterin als eine Zofe suchte. Letztendlich hatte sie das Mädchen adoptiert und ihr damit den Weg in bessere Kreise geebnet. Die Heirat mit George Greenwood machte Elizabeth endgültig zu einer hoch geachteten Stütze der Christchurcher Gesellschaft.
    Schließlich warf Jack einen Blick auf seine Taschenuhr.
    »Es ist Zeit, Liebes. Bist du fertig?«
    Charlotte nickte. Jack sah genauso verängstigt und elend aus, wie sie sich fühlte.
    »Sicher«, sagte sie mit gezwungenem Lächeln. »Ich hoffe bloß, der Arzt wird uns nicht zu lange aufhalten. Du hast doch nichts dagegen, wenn wir hinterher noch diese Schneiderin besuchen ...?« Ihre Stimme klang gepresst.
    Jack schüttelte den Kopf und bemühte sich ebenfalls um ein beiläufiges Lächeln. »Ich habe Dad auch versprochen, mich nach schottischem Whiskey umzusehen. Auf seine alten Tage besinnt er sich auf seine Wurzeln. Er meint, nichts helfe besser gegen Gliederschmerzen, als sich mit gutem Scotch einreiben zu lassen. Von der innerlichen Anwendung ganz zu schweigen.«
    Alle lachten, aber nur Elizabeth wirkte wirklich unbeschwert. Sie dachte sich nicht viel bei dem Wunsch ihrer Tochter, Dr. Barrington zu konsultieren. Charlotte hatte ihr Leben lang Migräne gehabt. Auch diese Kopfschmerzen würden sich als harmlos entpuppen.
     
    »Gloria!« George Greenwood war überrascht. Die Wirtin des Pubs, in dem er vor seinem Besuch in Oaks Garden ein Mittagessen eingenommen hatte und nun die

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